Schon auf dem Weg zum Treffpunkt wird klar: Das hier ist nicht jedermanns Sache. Einige Journalisten eilen, ihre Aktentasche fest umklammert, den Weg zur Jugendhilfeeinrichtung „Kreuzer“ im Görlitzer Park entlang. Auf die Angebote, bei der Gelegenheit ein paar bewusstseinserweiternde Einkäufe zu tätigen, reagieren sie nicht, haben die Fragen wohl erwartet. Dealer sind schließlich das, wofür der Görlitzer Park zurzeit bekannt ist: als „Angstraum“, „Brennpunkt“ oder „Drogenpark der Nation“ wird er in der Presse bezeichnet. Die Reaktion: Der Park wurde von einer Taskforce zur Sonderzone erklärt, die Polizeipräsenz vor Ort erhöht. Bis zu zwei Razzien gibt es am Tag, außerdem wurden Bäume und Sträucher im Park radikal gekürzt – „zur Erhöhung der Sicherheit“, heißt es in einer Pressemitteilung von Bezirksstadtrat Panhoff vom November.
Und da haben wir des Pudels Kern: radikale Maßnahmen des Bezirkes, wütende Anwohner, genervt wirkende Verantwortliche, unterschiedliche Eindrücke vom Park. Das Thema des Abends wirkt im Nachhinein betrachtet absurd. Eigentlich wollte man einen „Entwurf zum partizipativen und okölogischen Parkpflegewerk“ vorstellen. Doch wie soll Partizipation funktionieren, wenn Anwohner und Vertreter des Bezirkes nicht einmal über diesen Vorschlag reden können, ohne verbal aufeinander loszugehen?
Ein Streitgespräch von Anfang an
Der Raum des Kreuzers ist mit über 50 Personen gut gefüllt, einige stehen an Pfeiler gelehnt, auch die zusätzlich aufgestellten Bierbänke sind besetzt. Mit leichter Verspätung begrüßt Hilmar Schädel, Leiter des Grünflächenamtes im Bezirk, gut gelaunt die Gäste. Einige Zeit später wird er sich nicht mehr zum Geschehen äußern wollen. Denn kaum sind die ersten Worte gesprochen, melden sich Anwohner mit Fragen zu Wort. Sie sprechen von „Polizeiarchitektur statt Landschaftsarchitektur“, fordern Stellungnahmen und Erklärungen zu Polizeimaßnahmen und dem groben Eingreifen in das Parkleben durch den Bezirk, machen ihrer Wut über die Verdrängung von Geringverdienern und Flüchtlingen aus dem Bezirk Luft. Zugegeben, dass Stadtrat Panhoff die wichtigsten Inhalte des angeblich noch nicht final beschlossenen Konzeptes am selben Morgen in der Springer-Presse vorgestellt hatte, tat wohl sein Übriges zum Desinteresse an den Informationen auf der Tagesordnung.
Von Unsachlichkeit und Beleidungungen
Und Herr Panhoff? Anfangs steht er mit verschränkten Armen an der Seite, sein Gesicht verhärtet sich, als die gleichen Fragen immer wieder kommen, der Ton unsachlich wird, vom Rassismus der weißen Mittelschicht die Rede ist, wo es um Bäume und Sträucher gehen soll.
Vorbildlich geht es hier auf keiner Seite zu. Anwohner stellen Fragen, um die Antworten in höhnischen Kommentaren und Wortklauberei untergehen zu lassen, der Stadtrat steht mit erhobenem Zeigefinger vor den Anwesenden, in Ton und Lautstärke oft nicht zurückhaltender als jene, deren Diskussionskultur er kritisiert. Forderungen nach einem Rücktritt des Stadtrats werden laut, von einem Teil der Anwesenden beklatscht. Aber das Publikum fordert auch einen sachlichen Dialog und wenigstens die Möglichkeit, mehr über Pläne zur Bürgerbeteiligung in Sachen Parkpflege zu erfahren. Auch für diesen Vorschlag gibt es Applaus. Oft werden beide Lager laut, schaukeln sich hoch bis zu Beleidigungen gegen jene, von denen man dachte, sie wollten das Gleiche.
Bürgerbeteiligung seit 1978/79
Dass die Anwesenden im kommenden Sommer schon gemeinsam Samenkugeln aussähen werden, scheint zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Zu wenig Vertrauen setzen Anwohner und Engagierte in die Arbeit des Bezirks, wollen keine Kraft in Konzepte und zarte Pflanzen investieren, die am Ende von den Ämtern weder umgesetzt noch erhalten werden. Auf Seiten des Bezirks scheint der Eindruck zu bestehen, die Anwesenden würden nur laut reden, aber nicht mit anpacken wollen.
Regelmäßige Dialoge scheinen hier wichtig, um Wutausbrüche wie an diesem Donnerstag zu vermeiden, die sich entladen, sobald ein Verantwortlicher zu fassen ist. Gentrifizierung und polizeiliche Maßnahmen sind die Themen, die rund um den Görli am aufreibendsten wirken. Die Sachverhalte sind komplex, aber ist der Austausch darüber deswegen gleich ausgeschlossen? Es wäre schade, wenn Formen der Bürgerbeteiligung, die seit den 1980er Jahren im Görlitzer Park Tradition haben, ohne die es ihn gar nicht geben würde, aufgrund der verhärteten Fronten ein jähes Ende fänden.