„Reinickendorf – in Berlin ganz oben“, lautet ein Werbespruch des Bezirks. Ganz oben, dort liegen Frohnau und Hermsdorf, wohlhabende Ortsteile des gehobenen Mittelstandes. Auch das malerische Havelufer von Tegelort bis Heiligensee, das dörfliche Lübars und der Tegeler Forst prägen den Ruf. Doch es gibt – nur etwas weiter unten – auch andere Seiten.
„Reinickendorf geht es gut, aber nur im Norden“
Im Märkischen Viertel – einer der drei aus den 60er Jahren stammenden Satellitenstädte des damaligen West-Berlins – ist es dank massiver Investitionen gelungen, ein Abrutschen zu verhindern und junge Familien in die sanierten Hochhäuser zu locken. Dagegen drohen Reinickendorf-West und -Ost, die Kieze zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Residenzstraße, weiterhin sozial zu kippen. Sie sind geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, Armut und steigender Kriminalität.
„Reinickendorf geht es gut, aber nur im Norden“, sagt SPD-Spitzenkandidat Jörg Stroedter. Reinickendorf-West und -Ost sei eher mit Wedding oder dem nördlichen Neukölln zu vergleichen. „Wir müssen aufpassen, dass dieser Bereich nicht abrutscht“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel. „Als kleiner Junge bin ich mit meiner Mutter immer in der Residenzstraße zum Einkaufen gefahren, heute wird das kein Frohnauer mehr machen.“ Beide Spitzenkandidaten sind gebürtige Reinickendorfer und leben heute mit ihren Familien in Frohnau.
Gab es in Frohnau zuletzt eine Wahlbeteiligung von mehr als 80 Prozent, waren es in den Problemkiezen weniger als 50 Prozent, beklagt SPD-Mann Stroedter. Ebenso wie sein CDU-Konkurrent ist er viel im Kiez unterwegs und versucht, die Bewohner zur Stimmabgabe zu motivieren. „Gegen Wahlverdruss hilft nur persönliche Ansprache ohne Parteipolitik“, sagt Steffel.
Im Bezirksamt gilt das Verhältnis zwischen SPD und CDU als gut
Auch im Rathaus des Bezirks sind stundenlange parteipolitische Schlachten seltener geworden. CDU und Grüne bilden eine Zählgemeinschaft in der von einem parteilosen Vorsteher geführten Bezirksverordnetenversammlung. Die Piraten spielen hier nur eine untergeordnete Rolle, die FDP ist 2011, die Linke bereits 2006 ausgeschieden. Im Bezirksamt gilt das Verhältnis zwischen den drei CDU- und zwei SPD-Stadträten als überwiegend gut.
Ein dominierendes Wahlkampfthema ist der Flughafen Tegel. Auch in Reinickendorf sind die Meinungen über eine Schließung geteilt. Lärmgeplagte fordern angesichts des gestiegenen Verkehrs nach der geplatzten BER-Eröffnung eine schnellstmögliche Stilllegung. Viele, die weiter entfernt wohnen, würden den Airport gern behalten. Ebenso wie Industrie und Handel. Die aus 20 Firmen von Alba bis Wall bestehende Initiative „Made in Reinickendorf“ hat mit einer Plakataktion davor gewarnt, dass es im Bezirk auch wirtschaftlich still werden könnte.
Die Kandidaten driften hier auseinander. Jörg Stroedter hat eine Unterschriftensammlung gegen eine Offenhaltung des Flughafens gestartet und fordert ein sofortiges Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr. Ferner möchte er die Gebühren in Tegel erhöhen und am Altflughafen Schönefeld notfalls auf Nulltarif absenken, um Fluggesellschaften zum Umzug zu bewegen. „Ich verspreche mir sehr viel von der Flughafen-Kampagne“, sagt der Sozialdemokrat. „Die Leute haben die Schnauze voll.“