Kommentar

BVG-Zwangsticket, City-Maut oder eine faire Lösung?

Ein Auto fährt neben der Tram über die Kreuzung.
Eine autofreie Innenstadt zugunsten der BVG? Da streiten sich die Parteien und Bürger...
Die Klimadebatte war Europa-Wahl-entscheidend. Kein Wunder, dass Politiker ihre Chancen mit Umweltthemen weiter erhöhen wollen. Nun schlägt die Berliner Verkehrssenatorin mit einer alternativen City-Maut zu...

Nun wird es amtlich: Urbanes Leben und Autofahren passen nicht mehr zusammen. So ist jedenfalls die Meinung unserer Verkehrssenatorin Regine Günther. Man könnte jetzt dagegen halten, dass gerade der Verkehr ein Merkmal urbanen Lebens sei und eine Dorfkreuzung eher für Autoleere stehe, aber wir halten uns zurück. Es soll nämlich nicht der Eindruck entstehen, dass wir gegen umweltfreundliche Citys, Klimaschutz und mehr Ruhe sind… Aber: Mind the gap! Und mit diesem klassischen Warnhinweis der Londoner Verkehrsbetriebe leiten wir über zu der Metropole mit dem größten City-Maut-Gebiet der Welt.

London ist das falsche Vorbild

Während die Briten bereits über krasse Maut-Erhöhungen nachdenken, scheint die Idee, auch hier die Kasse klingeln zu lassen, mehr Freunde zu gewinnen. Dabei sieht man gerade in London, dass ausgerechnet die Menschen, die wegen der unfassbaren Mieten an den Stadtrand ziehen mussten, unter den zusätzlichen Gebühren leiden, weil sie ohne Auto entweder Ewigkeiten in der Bahn sitzen, um zur Arbeit zu kommen, oder mit Auto monatlich immer mehr abdrücken müssen von der Kohle, die sie ja gar nicht haben.

Nun soll Berlin also diesem Beispiel folgen. Natürlich will man hier nicht einfach nur Geld verlangen, weil das zu unpopulär wäre, und deshalb kam die Idee auf, Autofahrer zwangsweise zu verpflichten, BVG-Tickets zu kaufen, wenn sie in die Innenstadtbereiche fahren wollen. Und hier entdecken wir die beachtenswerte Lücke zwischen autofreier City und unfreiwilliger Subvention der BVG… Wie gesagt: Mind the gap!

 

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Ein Beitrag geteilt von aimee👽#MKEtechno (@aimee.mketechno) am Jun 3, 2019 um 8:56 PDT

Bislang zeigt sich die BVG trotz cooler Kampagnen nicht einmal sehr bürgernah. Die Preise steigen stetig und für die meisten in der Stadt sind die Bedingungen der Öffis eine Zumutung: kaputt, voll und gefährlich. Die Schlagzeilen von Übergriffen wechseln sich ab mit Nachrichten über Zugausfälle, Mängel und längere Taktungen. Und weil Bund und Land trotz Subventionen die BVG nicht zu einem kundenfreundlichen Unternehmen mit bezahlbaren Tickets umgestalten konnten, sollen das nun die Autofahrer übernehmen. Eine Verpflichtung der BVG, im Gegenzug das Streckennetz zu verbessern, generell die Preise zu senken und die Park-and-Ride-Strukturen auszubauen, gibt es aber nicht. Umweltbewusste Radfahrer und Überzeugungsfußgänger gehen selbstverständlich leer aus.

Stammtischpolitik

Ein weiterer Vorschlag, der schon an Stammtischen die Runde macht: Alle Berliner zahlen im GEZ-Style für ein Jahresticket, ob sie es brauchen oder nicht. Zum Glück hält nicht einmal die BVG etwas von dem Plan. Selbsteinsichtig schreckt das Unternehmen vor den zusätzlichen Nutzern zurück, die dadurch vielleicht generiert werden würden, schließlich kommt man ja jetzt schon kaum klar. Doch was ist stärker, die Vernunft oder die Geldnot? Das gerade erst eingeführte Schülerticket wird etwa drei Millarden Euro kosten. Der Senat unterstützt die Öffis bisher mit 1,1 Milliarden. Bleiben zwei Milliarden, die man irgendwo herbekommen muss. Wenn es mit den Autofahrern nicht klappt, könnte man es ja bei den Rentnern versuchen, die ständig die Busse aufhalten und deshalb mehr bezahlen sollten. Oder man lässt die Gastronomen und Hoteliers blechen, die immer mehr Touris in die Stadt locken, die uns die Sitzplätze in den Bussen wegnehmen. Oder …. Ok, zurück in die Spur.

 

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Ein Beitrag geteilt von Weil wir dich lieben (@bvg_weilwirdichlieben) am Mai 1, 2019 um 10:16 PDT

 

Abgaben für Autofahrer sind eine gute Sache. Der, der Umweltsünden begeht, soll auch dafür zahlen. Aber warum besteuert man nicht einfach das Benzin zusätzlich, schließlich belastet ein Auto die Umwelt genauso, wenn es auf der Landstraße fährt und je nach Verbrauch auch mehr als andere. Und statt nur die Innenstädte für Autofahrer so unbequem zu gestalten, dass sie selbst auf die Idee kommen, andere Mittel und Wege zu finden, um in der City West oder am Alex arbeiten und shoppen zu gehen… sollte man auch dafür sorgen, dass es diese Mittel und Wege überhaupt gibt. Bezahlbares Park and Ride, bessere Anbindungen der Außenbezirke, sichere Radwege und Zuschüsse für mobile Alternativen zum Beispiel.

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