In italienische Bottegas kommt man rein und spürt sofort die lockere Atmosphäre, wie auf einem Markt, nur eben überdacht. Die gefüllten Auslagen überwältigen einen, es riecht köstlich und die Besitzer heißen einen mit Lächeln auf dem Gesicht willkommen wie ein Familienmitglied – dieser Flair schwingt auch im Annelies in der Görlitzer Straße in der Luft. Statt Auslage warten allerdings eine Theke mit Weinflaschen in der Glasvitrine, selbstgebackene Kuchen auf der Anrichte und allerlei Gerätschaften, um einen wohlschmeckenden Kaffee zu zaubern. Zusätzlich gibt es einen direkten Blick in die Küche, von wo aus einem Koch Matt zuwinken kann.
Zum Sitzen gibt es im Café zwei helle Räume mit einem alten, weißen Kachelofen als Blickfang und draußen warten Bänke mit Schirm auf dich und deine Bestellung. Weil bei unserem Besuch die 30 Grad-Marke geknackt wurde, ist unsere Wahl klar. Das Lokal, in dem früher das Café Gipfel zu Hause war, liegt übrigens direkt gegenüber vom Görlitzer Park und ist daher eine gute Option, falls der Picknickkorb etwas mau ausgefallen ist.
Die Karte ist ziemlich vielseitig: von Kartoffeln mit Rauchschinken und Buttermildressing bis zu BBQ Rippchen sowie French Toast mit Erdbeeren und Sahne reicht die Auswahl. Dabei fällt auf, dass viele Speisen Herzhaftes mit Süßem verbinden sowie eingelegt oder mariniert sind. Wir entscheiden uns für eine vegane Option, nämlich die Pilze auf Toast mit strahlend grünem Petersilienpüree (8,50 Euro). Die Pilze sind ummantelt mit Gewürzen wie geräuchertem Paprikapulver und Ingwer. Es schmeckt sehr intensiv – da trifft Säure auf eine leichte Schärfe. Pur wäre es wohl auf die Dauer etwas viel für den Gaumen, aber das Sauerteigbrot mit dem knusprigen Rand schafft Balance und macht das Gericht zu einer spannenden Kombination. Gegen den drückenden Durst bestellen wir uns einen Shrub mit Rhabarber und Erdbeere. „Nordische Länder stellen mit einem Shrub Limonade her. Es ist eine Mischung aus Essig, Zucker, Frucht und Sodawasser“, erklärt uns Matt, der aus New York stammt. Wer in seine Drinks eigentlich keinen Essig drin haben will, nur keine Scheu – man schmeckt ihn kaum, vielmehr bringt der Essig die Fruchtnote noch besser heraus und ist ein Spitzen-Durstlöscher.
Zum „Nachtisch“ gönnen wir uns das Granola, was wohl die aufregendste Kombi auf der Karte verspricht, und zwar Rote Bete mit Blaubeeren und das alles in süß und auf Joghurt (7,50 Euro). Als das Gericht so vor uns steht, haben wir eigentlich keine Lust, es durch unseren Löffel zu zerstören, weil: einfach wunderschön! Der besondere Geschmack kommt durch die Schichten: unten cremiger Joghurt, darüber gekochte Rote Bete für erdigen Geschmack als Kontrast. Dazu kommen ganze Heidelbeeren, die aber eingemacht wurden sowie Amaranth-Granola, Zucker und Pulver aus getrockneten Heidelbeeren wie auch Sauerampfer zum Garnieren.
Matts Favorit auf der Karte ist die Hühnerleber auf Toast mit Blaubeermarmelade und Haselnüssen (8,50). Für euch zur Orientierung: Das teuerste Gericht kostet 10,50 Euro. Matt betreibt gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Hannes vom Distrikt Coffee das Annelies, dort hat er vorher auch gearbeitet. In der Küche zeigt Matt uns seine bisher für den Winter gesammelten Schätze: getrocknete Holunderblüten und auch massig Rhabarber. Einkochen und Einmachen gehören offensichtlich zu seinen liebsten Beschäftigungen.
„Ich versuche so viele lokale Produkte zu verwenden, wie ich nur kann. New York ist das Mekka des Brunchs mit French Toast und Eiern und das möchte ich hier auch nach Kreuzberg bringen, daher kann man das Granola zum Beispiel auch um drei Uhr nachmittags bestellen“, so Matt. Avocado-Toast und Pancakes, die ja mittlerweile zu den Aushängeschildern für Brunch und Frühstück geworden sind, suchst du im Annelies allerdings vergebens. „Wir wollen einen anderen Dreh finden“, sagt der sympathische Koch mit Top-Gastgeberqualitäten. Wir kommen wieder, um den Rest der Karte zu entdecken.