Der Bersarinplatz – vor allem bekannt für das „Gecko-Haus“ und das Altersheim gegenüber – führt in die Rigaer Straße und damit zum berühmt-berüchtigten Haus in der Liebigstraße 14, das lange besetzt, dann teuer zwangsgeräumt und jetzt wieder von den Besetzern bewohnt wird. Spannende Ecken hat der Bersarinplatz also, gastronomisch aber ist hier bis jetzt nicht viel los gewesen. Aber: Kürzlich hat das wahrscheinlich kleinste Café der Stadt eröffnet. Es hat genau einen Tisch mit Platz für maximal acht Leute und trotzdem finden in unregelmäßigen Abständen Konzerte in dem Mini-Café statt.
Der Name des Cafés Sixty Degrees bezieht sich einerseits auf die Temperatur, auf die Milch erhitzt wird, damit sie nicht zu warm wird und ihren süßlichen Geschmack beibehält, andererseits heißen die Kaffee-Trichter, die das Café benutzt „v60“, weil die Trichter einen 60-Grad-Winkel haben, den perfekten Winkel für den perfekten Kaffee, erklärt Lucie. Die Britin ist im Café für die Raw Cakes zuständig. Sie backt die kleinen Törtchen, deren vegane Zutaten auf höchstens 42°C gekocht werden. Die Hauptzutaten bestehen aus Kokosmilch, Früchte und Kokosöl – Rohkost in Süßform also!
Während Lucie erzählt, kommt ein Kunde herein. Der Mann aus der Nachbarschaft liebt vor allem die Raw Cakes aber auch die Croissants seien zu empfehlen. Lucie erklärt, dass die Croissants mit echter Bretonischer Butter und von Franzosen in Berlin gebacken werden, die liefern auch die Baguettes. „Beim Kaffee nehmen wir eine sehr gute Sorte aus Berlin, von der Andraschko Kaffeemanufaktur„, sagt Lucie.
Von Nachhaltigkeit und Banana Bread
Außer auf guten Kaffee legt der Besitzer des Cafés, Bernhardt Streit, Wert auf Nachhaltigkeit. Deshalb benutzen er und sein Team im Sixty Degrees nur recyclebare Verpackungen für to-go-Bestellungen: Seien es die durchsichtigen Plastikbecher, die Kaffeebecher, Strohhalme oder Löffel, alle sind kompostierbar, denn es handelt sich um Kunststoffe auf Mais-Stärke-Basis. Selbst wenn man es nicht kompostiert und einfach wegwirft, könne bei der Verbrennung mehr Energie herausgezogen werden als bei herkömmlichen Sachen, und bei der Produktion würden nicht so viele Ressourcen verschwendet, wie Streit erklärt.
Ein zweiter Kunde kommt herein – auch ein Nachbar – der lobt vor allem die Brownies und den Kaffee, wegen derer er fast jeden Tag herkommt. Die Brownies werden jeden Tag im Café selbstgebacken, außerdem gibt es Banana Bread mit Nüssen und Linzer Torte. Die heiße Schokolade kommt von Fassbender & Rausch Chocolatiers am Gendarmenmarkt.
Dass im Café nur ein Tisch steht, ist nicht nur dem Platzmangel geschuldet. „Wir hatten gehofft, dass sich die Leute an den Tisch zusammensetzen und gemeinsam Kaffee trinken oder Sandwichs essen, aber das klappt noch nicht so ganz“, erklärt Lucie. Die meisten Kunden nehmen die Sachen, die sie bestellen mit. Nur wenn Konzerte stattfinden, dann sitzen neun bis zwölf Leute am Tisch und auf der kleinen Bank an der Wand. „Wir überlegen noch ein Sofa hineinzustellen“, sagt Lucie. Vielleicht bleiben die Leute ja dann auch zum Kaffeetrinken …