Ein grauer Dezembermorgen. Vor einer Tür an der kaum belebten Jebensstraße am Bahnhof Zoo warten etwa 20 Menschen. Hauptsächlich Männer. Sie treten stumm von einem Fuß auf den anderen, viele tragen Rucksäcke. Sie warten, dass die Caritas-Ambulanz für Wohnungslose öffnet. Bis auf einen schmuddeligen Mann mit Plastiktüten, der sich als Wolfgang vorstellen wird, wirkt keiner verwahrlost. Ein Paar ist unter den Wartenden: Er umarmt sie stumm, streicht ihr über den Rücken. Marius, ein Rumäne, sagt, er habe die Nacht in einer U-Bahn-Station verbracht.
Punkt zehn Uhr öffnet sich die Tür. Im Hinterhaus beginnt die tägliche Arbeit der Ambulanz. Drei Caritas-Mitarbeiterinnen und eine ehrenamtliche Ärztin werden wie an jedem Wochentag rund 35 Obdachlose ohne Krankenversicherung versorgen: Verbände wechseln, Schnittverletzungen und Diabetes behandeln, Einwegrasierer und Medikamente verteilen und auch organisieren, wer wann unter die Dusche darf.
Kaffee, Rasierapparate, Entlausungsmittel: Der Bedarf ist groß
Mehr als 3500 Behandlungen verzeichnete die Ambulanz 2013, das sind 500 mehr als im Vorjahr. Seit 2012 wird ihre Arbeit nur aus Spenden finanziert: Medikamente und Verbandsmaterialien müssen angeschafft werden, Entlausungsmittel, Krücken, Schienen, Kaffee, Kleidung und Rasierapparate. Der Tagesspiegel will mit der Spendenaktion bei der täglichen Arbeit der Ambulanz helfen, den Mitarbeitern aber auch ermöglichen, abschließbare Schränke anzuschaffen. Die werden dringend gebraucht, um Material in der meist überfüllten 100 Quadratmeter großen Ambulanz zu lagern. Schlafsäcke und Isomatten müssen so verstaut werden, dass niemand sie einfach mitnehmen kann. „Die bekommen Patienten, die wir entlausen müssen – die brauchen eine komplett neue Ausrüstung“, sagt Bianca Rossa, die die Ambulanz leitet.
Im Behandlungszimmer untersucht Birgitta Magg gerade eine große blutende Geschwulst am Fuß eines Mannes. „Wahrscheinlich ein bösartiger Tumor, aber ich kann nicht viel machen“, sagt die 68-jährige Ärztin im Ruhestand. „Ich habe ihn ins Bundeswehrkrankenhaus in die Chirurgie geschickt, das ist die einzige Klinik, die in solchen Fällen auch ohne Krankenversicherung etwas unternimmt.“ Birgitta Magg arbeitet seit einem Jahr einmal pro Woche in der Ambulanz: „Hierher kommen die Menschen, die mich am dringendsten brauchen.“ Sie ist spezialisiert in Geriatrie, Neurologie und Psychiatrie. An jedem Tag der Woche ist ein anderer Spezialist im Dienst.
Vier Stunden Wartezeit für eine Dusche
Bis zu vier Stunden warten viele Obdachlose zudem darauf, einfach mal duschen zu können, die einzige Gelegenheit um den Bahnhof Zoo herum. „Wir haben hier viele Hautkrankheiten, da ist das Duschen besonders wichtig“, sagt Rossa. Andere Patienten würden gern vor dem Arztbesuch duschen. Wolfgang döst im Wartezimmer vor sich hin, seine Plastiktüte neben sich. „Ich komme dreimal pro Woche zum Duschen. Hat mit Drogen zu tun, dass ich keine Wohnung habe““ sagt der 49-Jährige. „Immer wenn ich die anderen Leute in den Obdachlosenheimen nicht ertrage, schlafe ich lieber im U-Bahnhof.“
Währenddessen sitzt der Patient Pavel im sogenannten „unreinen Raum“. Der grauhaarige, gepflegt wirkende Tscheche ist 38, sieht aber aus wie Mitte 50. Er hat eine starke Durchblutungsstörung, kann kaum laufen. Bianca Rossa versorgt eine große Wunde an seinem Bein. Pavel verzieht sein Gesicht vor Schmerz. „So etwas haben viele unserer Patienten, das kommt von der Mangelernährung und vom vielen Stehen auf der Straße“, sagt Rossa. Heute hat er einen gespendeten Rollator bekommen.
Wie Pavel und Marius kommen viele der Patienten aus Osteuropa. Deutsche Obdachlose haben eher eine Krankenversicherung. Marius’ Deutsch ist gut: „Ich habe meinen Job in Rumänien verloren“, sagt der Metallarbeiter. „Hier finde ich auch keinen, aber dafür bekommen arme Menschen in Deutschland etwas zu essen.“ Und werden behandelt, aus Mitmenschlichkeit.
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