Auf dem Parkplatz steht schon der erste Bewerber für das Gruselkabinett des Berlin Story Bunkers: Jeans und T-Shirt hat er an, das einzige, was ihn als Teilnehmer des Castings ausweist, ist ein schwarzer Umhang, den er über den Schultern trägt. Journalisten von Radiosendern, Fernsehen und Zeitung sind da. Wir sind auf der ersten Etage des dreigeschossigen Bunkers, im Figurenkabinett „Medizin in alten Zeiten“. Es hat mehrere Kammern: unter anderem eine für Folter, Amputation und Operation. Eine junge Frau lotst uns ins Café. „Warten Sie bitte dort links“, sagt sie. Auf dem Gang baumelt ein Strick. Die Cafésitze sind rot, die Wände schwarz. An den Kacheln über der Spüle klebt Blut, an der Wand hängt ein großes Kreuz, eines wie es sie an Gräbern gibt. Die Dame am Tresen lächelt und fragt, ob wir etwas trinken wollen. Es ist Vormittag, viele Schulklassen sind da: Mädchen schreien, Jungen brüllen.
Im Nebenraum stellt sich Christian der Jury. Im Gremium sitzen Enno Lenze, der Eigentümer des Bunkers, Grim Reaper, der älteste Erschrecker vom Gruselkabinett, und Jey, die Newcomerin im Gruselteam. „Magst du Kinder?“, fragt Enno Lenze den Bewerber. „Ja“, antwortetet der. „Wenn du keine magst, ist es besser“, wirft Jey ein. „Groß bist du, das ist gut, den Rest machen wir mit Maske und so, das geht schon klar“, sagt Lenze zu dem freundlich dreinschauenden Christian.
Großes Bedürfnis nach Horror
„Ab und zu, wenn dich ein Kind erwischt, musst du sterben, magst du mal sterben?“, bittet Enno Lenze Christian. Christian stirbt. „Das musst du öfters am Tag machen“, sagt Lenze. „Mich auf die Fresse legen und wieder aufstehen? Kein Problem“, sagt Christian, der in seiner Freizeit Fantasy-Rollenspieler ist. „Heul mal“, sagt Lenze, und es folgt ein Werwolfgeheul wie auf Knopfdruck.
„Hund“, so nennt sich der zweite Bewerber. „Geh mal raus und erschreck mal die Kinder da draußen“, sagt Lenze zu Hund. Er kommt zurück, niemand hat geschrieen. „Aber du hast ein gutes Outfit“, sagt Lenze und bittet Hund zu sterben. „Nicht schlecht“, sagt er und fragt ihn, was ihn qualifiziert. „Sadismus“, antwortet Hund knapp. „Stehst du auf Tageslicht?“, fragt Jey. Kopfschütteln. „Redegewandtheit liegt dir in den Genen“, bemerkt Lenze.
Applaus von der Jury
Schreien, Sterben, Erschrecken – alles innerhalb einer Szene. Die Jury ist begeistert. Aber trauen sich die Jungs zu, jeden Tag acht Stunden lang Leute durch den Bunker zu jagen und das ohne Tageslicht? Die Jungs nicken. „Wunderbar, wir mögen auch kein Tageslicht“, sagt Jey. „Jetzt geht doch mal raus zu den Schülern im Raum nebenan und erschreckt die mal“, bittet die Jurorin sie. Ein Schreien und Kreischen ist zu hören, vor allem die Schülerinnen kriegen sich nicht mehr ein.
Applaus von der Jury. Die zwei Studenten geben den Juroren die Hand und verabschieden sich. In der Pause erklärt Jey, dass viele Leute es nicht aushalten, jeden Tag acht Stunden auf einer Strecke von 700 m² herumzurennen und das ohne Licht. Deshalb schließe der Bunker auch einmal im Jahr für einige Tage, damit die Mitarbeiter auch einmal Tageslicht sehen.
„Erschrecker sind Leute, die gerne Schabernack treiben, sich gerne verkleiden. Sadisten nehmen wir nicht“, erklärt Lenze, „auch keine Nazis oder irgendwelche komischen Gestalten. Sportlich, lustig und fantasievoll sollten Berufserschrecker sein – böse nicht“, sagt Lenze, der den Bunker Anfang des Jahres von Marlit Friedland gekauft und modernisiert hat.