- Samstag, 04. August 2012
Am Lietzensee
Ein Hauch Central Park
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Lädt zum Verweilen ein: der Lietzenseepark. Foto: Der Tagesspiegel - ©Thilo Rückeis
Wo die Sonne erst spät am Horizont verschwindet: Der Lietzenseepark in Charlottenburg ist ein Kleinod in zwei Versionen. Einer beschaulich idylischen und einer weitaus belebteren.
Nirgends trauern sie so schön wie hier. Die Trauerweiden am Lietzensee sind besondere Augenweiden, mit ihrem ersten Grün, mit ihrer tief herabhängenden Pracht, die den Spaziergängern des Lietzenseeparks so gar nicht melancholisch erscheinen will. Am imposantesten aber wirken sie, wenn ihre Äste wie rot schimmernde Fäden am Wasser in die frühen Herbstabende funkeln, während am Horizont die Sonne untertaucht.
Dieses Ereignis genießen vor allem die Gäste auf der Terrasse des ehemaligen Bootshauses am nordöstlichen Teil des Lietzensees. Nach Abbruch und stilvollem Neubau ist dieses zu einem beliebten Café mit kleinem Bier- und Weingarten avanciert. Weil von dort der Blick übers Wasser und den Park ungestört nach Westen schweifen kann, hat kaum ein Ort in Berlin länger Sonne als hier. Doch hierhin geht, wer den Lietzenseepark auskundschaften will, am besten erst zum Ende.
Doppelsee, Doppelpark
Eigentlich wurde der Park als Stadtgarten gestaltete Seeufer angelegt. See und Park gibt es gleich in doppelter Ausführung. Anfangs diente das Gewässer einem Benediktinerinnenkloster noch als Fischteich. Benannt nach dem Dorf Lietzow oder Lützow. Heute angelt niemand mehr im See, der nicht mehr als vier Meter Tiefe misst. Ihn speisen nur Regen und Grundwasser. Baden ist strikt untersagt, der See dient allein als Kulisse für den Park und die angrenzenden Häuser.
Zwei Seen, zwei Parks: in einer Mulde nördlich des Stuttgarter Platzes und der Bahnlinie zwischen Zoo und Olympiastadion gelegen und südlich des Kaiserdamms. Der Südwest- und der Nordostteil erinnern an eine Acht, die von der Neuen Kantstraße durchquert wird. Als künstlich angelegter Damm unterbricht sie seit 1904 den Lietzensee, dessen beide Hälften 1954 dank einer Unterführung entlang dem kleinen Verbindungskanal zwischen See und See ohne Überquerung der Straße erreichbar sind.
Am schönsten ist es, sich den südlichen, beschaulicheren Teil zuerst vorzunehmen. Man lässt den Stutti hinter sich und betritt den Park vom Dernburgplatz aus entlang der südlichen "Kaskade": einer von Stufen umgebenen und zum See herabfallenden Brunnenanlage. Das Gegenstück findet sich im Nordteil des Parks, doch die Becken dort sind trocken, nur ein unreiner Brunnen befindet sich am Eingang von der Wundtstraße und dem Kaiserdamm.
Für die Gestaltung der Anlagen ist der Charlottenburger Gartendirektor Erwin Barth verantwortlich, der gemeinsam mit den Architekten Heinrich Seeling und Rudolf Walter vor und nach dem Ersten Weltkrieg das Gesicht des Lietzenseeparks bestimmt hat. Der südliche Teil gehört dabei zumeist noch den Pärchen auf Wegen und Wiesen, den Joggern und den Kindern auf einem kleinen Fußballplatz. Etwas munterer geht es hier im Sommer nur auf der sogenannten "Polizeiwiese" am Südostufer zu.
Ruhe und Trubel - von jedem etwas
Die stark besuchte Sonnenbadewiese grenzt an einen auffälligen braunen Klinkerbau von 1930. Hier hatte die Knappschaftsberufsgenossenschaft ihren Sitz. Von 1950 bis 1953 diente das Haus als "Anlaufstelle" für etwa 300.000 DDR-Flüchtlinge. Der Weg am Westufer führt unter Bäumen vorbei an der Skulptur eines sandalenbindenden Jünglings (von 1909) unter der Neuen Kantstraße hindurch in den weitaus belebteren Nord-Seeteil. Hier wird der Park weitläufiger.
Plötzlich hört man viele Sprachen und sieht viele Farben, Charlottenburg hat hier seinen Hauch Central Park. Verliebte, Sonnende, Sporttreibende jeden Alters. Auch ein großer Kinderspielplatz und eine Wiese mit Trimmgeräten des Vereins Lebensherbst. Doch statt der Senioren stürmen ihn vor allem die Jungen und Jüngsten.
An der angrenzenden Wiese hin zum Kaiserdamm und dem Beginn des den Park abschließenden Witzlebenplatzes wurden über ein Dutzend neue Pappeln gepflanzt, neue Parkbänke aufgestellt, nur eine Infotafel ist seit langem bis zur Unlesbarkeit verschmiert. Hinweise auf das beherrschende graue Gründerzeitpalais am Witzlebenplatz gibt es hingegen etliche: Hier residierte bis 1943 das oberste Militärgericht und verkündete zur NS-Zeit etwa 260 Terrortodesurteile. Seit einigen Jahren befinden sich darin, leicht makaber, private Luxuswohnungen.
Am Ende aber lockt das Café Stella im Bootshaus mit Kuchen, Pizza oder Weißwürsten auf der Sonnenterrasse. Oder wenige Meter weiter das Restaurant Engelbecken und das Café Manstein. Nebenan gibt es auch ein Musikgeschäft und gegenüber läuten die Glocken vom Campanile der in Holz und Beton eindrucksvoll entworfenen St.-Canisius-Kirche, vor 2002 eingeweiht und eines der schönsten Beispiele neuer Architektur in ganz Berlin. Eine gute Gegend, die sich mit allen Sinnen erleben lässt.
Adresse
Lietzensee
14057 Berlin
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