An diesem Abend zeigt sich im Rau & Herzlich ziemlich schön, was den Laden ausmacht: Es ist voll, aber nicht zu voll, manche Menschen essen, andere trinken nur, es herrscht eine emsige Geschäftigkeit, ist aber niemals hektisch – und das gemischte Publikum, das gleichermaßen an den Holztischen und der langen, mit Metall verkleideten Theke unter Industrielampen sitzt, passt nicht so recht in eine Schublade. Gut so, damit dürfte auch Geschäftsführer Timo Häberle zufrieden sein, der selbst hinter der Bar steht und betont, dass sich im Rau & Herzlich alle Menschen aus dem Kiez wohlfühlen sollen. „Alle“ ist ein großes Wort, aber der Satz ist hier von umso größerer Bedeutung und weniger eine Phrase – stieß doch der Vorgänger hier in Kreuzberg, an der Ecke Reichenberger/ Glogauer Straße, bei einer Gruppe von Gentrifizierungs-Gegnern auf wenig Gegenliebe. Nach schweren Fällen von Vandalismus machte die Bar schließlich dicht.
Fisch, Fleisch, Vegan – mit hoher Qualität
Eine Altberliner Kneipe mit Bier und Schnaps für 1,50 Euro – für viele ja der Inbegriff einer Kiezkneipe – ist das Rau & Herzlich nun auch nicht geworden. Aber offenbar kommt der etwas hemdsärmelige Look, das charmante, gut gelaunte Personal und die Kombination aus Bar und Restaurant an. Mitinhaber ist übrigens Lutz Rau, der auch an anderer Stelle in Berlins Gastroszene aktiv und bekannt ist. Und Timo ist ein alter Hase im Geschäft. Klar, dass man sich da ein paar mehr Gedanken über die Hauptdarsteller gemacht hat: das Essen und die Drinks. Die Speisekarte ist angenehm übersichtlich, es gibt Salat, Suppe, Fisch, Fleisch und ein veganes Frikassee. Konkreter: Zur Vorspeise etwa gebeizten Lachs mit Kartoffelsalat, Roter Bete, Wasabi-Crème und Haselnüsse (10,50 Euro) – die Nüsse sind „für den Crunch“, erklärt der junge Küchenchef. Der Fisch ist von hervorragender Qualität, könnte für manchen Geschmack aber etwas dünner geschnitten sein. Überzeugend auch die Hauptspeisen: Kabeljau auf Artischockenpüree mit Petersilien-Öl, und auch hier wieder etwas Crunch (18,50 Euro) sowie eine Sous Vide gegarte Maispoularde mit Polenta und Chorizo-Stückchen (15,50 Euro). Ein spannender und überraschender Aromen-Konsistenzen-Mix und wieder tadellose Produkte.
Im Rau und Herzlich wird gemixt
Auch die Weine, etwa der Sauvignon Blanc (6 Euro/ 0,2 Liter), sind geschmacklich auf einem guten Niveau. Kreativ wird es bei den Cocktails, die, na klar, nach dem Essen an der Theke getrunken werden. Sehr aromatisch etwa der Not Rich But Royal (11 Euro), vom Geschäftsführer persönlich gemixt, mit Minze, Whiskey, Kirschsud, Zitrone und Sekt. Kleine Gimmicks sind etwa die „fancy Eiswürfel“ mit Rote-Bete-Saft. Auch die anderen Drinks mit Preisen zwischen 8 und 12 Euro, ob mit Gin, Tequila, Rum, Wodka oder Mezcal, zeugen von der Lust am Mixen. Und sind nichts zum schnell runterspülen, sondern für den wohldosierten Genuss. Nicht zuletzt, weil alle Preise eher im oberen Mittelfeld liegen. Es sind eben echte Cocktails, keine schnell zusammengekippten Drinks. Und es bleibt dabei: Die Qualität stimmt. Und der Wohlfühlfaktor ebenfalls.