Drei Linden sollen nächste Woche gefällt werden, drei gesunde Bäume, die Investoreninteressen und einem Luxus-Neubau im Wege stehen. Die Vorgänge in der Crellestraße stehen dabei exemplarisch für etliche aktuelle Vorhaben entlang des ehemaligen Eisenbahngeländes, das nach und nach umgewidmet wird, sowie die Taten- oder Hilflosigkeit der Bezirke und der Landespolitik gegenüber Investoren, die ihre Interessen ohne jede Rücksicht auf Bevölkerung und Anwohner durchsetzen.
Ursprünglich sollte auf dem Grundstück Crellestraße 22a ein Spielplatz entstehen, der Bezirk Tempelhof-Schöneberg versäumte jedoch in der Vergangenheit, seine Interessen hier und auf anderen Bahnflächen rechtlich zu sichern – obwohl seit Jahren klar war, dass es auf diesen Grundstücken zu Konflikten kommen wird, wurde nicht gehandelt. Der CDU-Stadtrat Bernd Krömer erließ im Februar 2011 einen Bauvorbescheid für das Grundstück, der nun umgesetzt werden muss, da das Gelände aus dem Bahnrecht entlassen wurde. Diskussionen können nicht mehr geführt werden, Anwohner werden nicht mehr gefragt. Punkt. So sieht Stadtentwicklungspolitik im Jahr 2013 aus in Tempelhof-Schöneberg.
Hilflosigkeit der Politik
Der Zank um die Crellestraße ist der vorläufige Höhepunkt in einer Reihe von Konflikten rund um die Rote Insel, die ähnlich gelagert sind – und diese Reihe wird sich fortsetzen. Beispiel Bautzener Brache. Anstatt der logischen Fortsetzung des Nord-Süd-Grünzugs wird hier ein massiver Wohnkomplex zwischen Großgörschenstraße und Yorckstraße entstehen. Die verschiedenen Veranstaltungen der letzten Monate zu diesem Thema verliefen, vorsichtig formuliert, eher kontrovers und suboptimal. Auch hier stand die Grüne Klotz im Mittelpunkt der Aufregung.
Eines wird immer deutlicher: Die Hilflosigkeit der Politik. Wer in Verantwortung steht, nickt die Großprojekte ab. Wer Opposition betreibt oder nicht den zuständigen Posten besetzt, drischt auf den Gegner ein. Solange, bis er selber Verantwortung trägt. So war das in der Vergangenheit bei der Planung für das Gasometer-Gelände und so ist das auch heute. Die finanziellen Ressourcen der Bezirke werden immer geringer, das Personal für eine vernünftige Planung fehlt, ebenso häufig der Wille.
So gelingt es einem gut vernetzten Investor wie Reinhard Müller, den Bezirk am Nasenring durch die Manege zu ziehen. Die Begründungen für Projekte von heute ähneln auffallend denen von gestern, die Parteifarbe spielt dabei keine Rolle. Die zahlreichen Konjunktive der Jubelschriften ließen und lassen nichts Gutes vermuten – und das alles bleibt beim Wähler hängen.
Konflikte in der Roten Insel könnten zunehmen
Eylauer Straße, Flottwellstraße, Barbarossastraße, Tempelhofer Feld und Yorckdreieck. Die Konflikte häufen sich in unserer Gegend und werden mit steigendem Mietendruck weiter zunehmen. Die Versäumnisse des Senats in den letzten Jahren
und der Zuzug nach Berlin werden zu einer verstärkten Bautätigkeit führen, auch in Schöneberg. So sind im Bereich Südkreuz im aktuellen Stadtentwicklungsplan Wohnen (StEP) der Senatsverwaltung bis 2020 900 Wohneinheiten vorgesehen. Und auch das Gewerbegebiet Naumannstraße wird über kurz oder lang in den Fokus rücken, stand das Gelände doch im letzten Jahr auf den Seiten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zum Verkauf.
Wohnungsbau ist notwendig und wird nicht verhindert werden können, auch wenn niemand seine Aussicht gerne zugebaut bekommen möchte. Es ist eine Frage der (ernsthaften) Einbindung der Anwohner, eine Frage der Gestaltung, eine Frage der sozialen Verträglichkeit (Luxusbauten wie in der Crellestraße werden nicht benötigt) und nicht zuletzt eine Frage des Willens. Ob der auch nach dem Wahlkampf, in dem sogar Merkel jetzt die Mieter als Wähler entdeckt hat, noch vorhanden sein wird?