Rund 44.000 Besucher haben die Mitglieder der Künstlerplattform Karmanoia gezählt, die sie durch ihr magisches Labyrinth geschleust haben: verzweigte Gänge mit kleinen Räumen, fantasievoll dekoriert und voller Entdeckungen. Vier Jahre lang begaben sich im Friedrichshainer Club „Zur wilden Renate“ junge und alte Menschen auf die Reise, Eltern mit Kindern, Berlin-Besucher aus aller Welt. Die knapp 80-jährige Oma von Karmanoia-Mitbegründer Tim Schneider war zweimal da und zwängte sich durch die schmalen Gewölbe auf zwei Etagen. Um einen „Verlust von Ort und Zeit“ sei es in den Untiefen gegangen, sagt Schneider. Doch vergangenes Jahr schloss der psychedelische Abenteuerspielplatz. Der Mietvertrag sollte geändert werden – für die Leute von Karmanoia nicht mehr tragbar.
Jetzt haben sie eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, für ein neues Peristal. Bis zum 21. März sollen 25.000 Euro zusammenkommen, damit die Gruppe aus Künstlern und Handwerkern sich Arbeitsräume finanzieren und die Planung für das Labyrinth starten kann. Mit öffentlichen Aktionen wollen sie auf die Kampagne aufmerksam machen. Im April 2016 soll das Labyrinth dann fertig sein – keine Wiederauflage, sondern gänzlich neu erdacht.
Peristal Nummer drei
Und diesmal soll es bleiben. Es wird bereits Peristal Nummer drei sein. Das erste war im ehemaligen Karmanoia- Hauptquartier in Neukölln, das auch Theater, Bar, Club und Restaurant beherbergte. Auch hier waren über vier Jahre hinweg zehntausende Besucher in das Labyrinth gekommen, das damals vor allem aus Papier und Stoffen bestand.
Reste des Vorgängers
Jetzt lagern die Deko-Überreste in einem Keller auf dem Clubgelände. Er wirkt wie ein Berg Schutt, der Peristal- Friedhof, grau und verstaubt. Sieht man genauer hin, ragt hier der Hals eines Kontrabasses hervor, dort der Kopf einer Schaufensterpuppe neben einem Kunststoffbein. Bemalte Tierschädel, Türen in verschiedensten Formen und Größen beschwören die einst hier erbaute Welt.
Von hier gehen die schmalen Gänge des unteren Teils von Peristal Nummer zwei ab. „Der war böse“, sagt Schneider. Er wandelt mit Belosevic und Streitmatter durch ihren einstigen Wirkungsraum – es lässt sich nur noch erahnen, wie es hier einmal aussah. Mal geht es durch ein Loch in der Wand, mal ist der Untergrund seltsam weich: ein Meer aus verrottenden Kuscheltieren. Das Bein eines Teddybären ragt in die Luft, daneben blickt einen der Kopf eines Stofflöwen an. Plötzlich zur Rechten ein Gitterfenster, das den Blick in ein Relikt des Labyrinths freigibt, auf den Rücken eines erschreckend echt anmutenden Mannes, in einer Art Zelle neben einer Holzpritsche sitzend. Er betrachtet ein Landschaftsbild.
Mit der dunklen Seite spielen
Sie hätten mit der dunklen Seite des Menschen gespielt, sagt Schneider. Existenzangst. Angst, die Kontrolle zu verlieren. Niemand musste durch diesen düsteren Teil des Labyrinths – es gab genug anderes zu entdecken, auf insgesamt 180 Quadratmetern. Doch wer es wagte, den erwartete „ein fast therapeutisches Ereignis“, wie Schneider es nennt.
Peristal Nummer drei wird sich mit einem neuen Thema beschäftigen. Schneider deutet nur an: „Es soll dieses Mal darum gehen, den Menschen in seinem Potenzial zu unterstützen. Um Revitalisierung.“ Ansonsten bleiben die Pläne natürlich geheim. Nur so viel: Das zweite Peristal war dreimal so groß wie das erste – für das dritte schwebt den Karmanoia-Künstlern ein ähnlicher Zuwachs vor.