Kartellamt gegen Berliner Preisgestaltung

Muss das Wasser so viel kosten?

Das Berliner Wasser wird aus geschütztem Grundwasser gewonnen. Hier ein Bild aus dem Wasserwerk Berlin-Tegel am Tegeler See.
Das Berliner Wasser wird aus geschütztem Grundwasser gewonnen. Hier ein Bild aus dem Wasserwerk Berlin-Tegel am Tegeler See.
Wasser ist in Berlin zu teuer, sagt das Bundeskartellamt. Nun soll der teilprivatisierte Versorger BWB zu einer Senkung der Preise gezwungen werden. Doch wo liegen die Gründe für den Streit ums kühle Nass?

Der Beschluss des Bundeskartellamts im Verfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) wird von Grünen-Politikern und politischen Aktivisten als Entscheidung im Sinne der Verbraucher gefeiert. Die Behörde hat das öffentlich kontrollierte Unternehmen angewiesen, „missbräuchlich erhöhte Wasserpreise“ zu senken. Für eine vierköpfige Familie sollen dadurch unter dem Strich rund 60 Euro mehr im Jahr übrigbleiben. Doch der Jubel könnte voreilig sein, denn die Wasserbetriebe wollen den Rechtsweg gehen. Das Verwaltungsgericht beschäftigt sich bereits mit dem Fall. Nun rufen die Anwälte des Unternehmens auch das Oberlandesgericht Düsseldorf an. Denn außer um die Berliner Preise geht es in der Sache auch darum, ob das Bundeskartellamt für zahlreiche weitere öffentliche oder teilprivatisierte Versorger überhaupt zuständig ist.

Ist das Wasser in Berlin teurer als in anderen Städten?

Dieser Ansicht sind der „Wassertisch“, Wohnungsverbände und Grundeigentümer, die Grünen und nun auch das Bundeskartellamt in seinem Beschluss. Die Behörde hat sich viel Mühe gemacht: In 38 deutschen Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern wertete das Amt Daten zur Wasserversorgung aus und schlussfolgerte, dass die Wasserbetriebe in Hamburg, München und Köln „vergleichbare Versorgungsbedingungen“ wie das Berliner Unternehmen haben und ihr Produkt trotzdem deutlich günstiger verkaufen. Die 5,10 Euro pro Kubikmeter für Wasser und Abwasser, die in Berlin zu bezahlen sind, übertreffen die Kölner Gebühren (3,36 Euro) klar. Dabei blieb nicht unberücksichtigt, dass die BWB erheblich in ihr Netz investieren mussten, da vor der Wende an der Instandhaltung gespart worden war.

Warum kostet das Wasser in Berlin so viel mehr?

Laut den Kritikern ist die Beteiligung privater Unternehmen an dem einst landeseigenen Betrieb dafür verantwortlich. Der Senat hatte im Jahr 1999 49,9 Prozent an den Berliner Wasserbetrieben verkauft. Die Investoren wurden mit dem Versprechen auf hohe Renditen umworben. Diese seien schuld an den hohen Wasserpreisen, meinen Kritiker. Im Rahmen eines internationalen Bieterwettbewerbs hatten der französische Konzern Veolia (damals: Vivendi) und der deutsche Multi RWE den Zuschlag bekommen. Konkret wurden die Interessenten mit einer Verzinsung des „betriebsnotwendigen Kapitals“ gelockt. Diese Gewinngarantie gilt völlig unabhängig davon, wie viel Wasser verkauft wird und wie gut das Unternehmen wirtschaftet. Fehlt Geld, werden die Wasser- und Abwasserpreise erhöht. Da die BWB in der Hauptstadt eine Monopolstellung haben, müssen die Verbraucher wohl oder übel bezahlen.

Ab wann gelten die neuen Wasserpreise und fließt zu viel bezahltes Geld aus früheren Rechnungen zurück an die Verbraucher?

Geld gibt es vorerst nicht zurück, obwohl sich Kartellamtspräsident Andreas Mundt die „Rückerstattung missbräuchlich bezahlter Wasserpreise für die Jahre 2009 bis 2011 ausdrücklich vorbehält“. Dazu wäre jedoch ein neues Verfahren der Wettbewerbshüter notwendig. Das ist zurzeit nicht absehbar. Der aktuelle Beschluss bezieht sich lediglich auf die künftige Preisgestaltung der Wasserbetriebe. Von 2012 bis 2015 müssen sie einen niedrigeren Kubikmeterpreis abrechnen. Die Verbraucher bekommen die Entlastung also erst 2013 zu spüren, wenn die Wasserabrechnung für das vorhergehende Jahr im Briefkasten liegt.

Können die Wasserbetriebe den Beschluss zu Fall bringen und niedrigere Wasserpreise noch verhindern?

Die Wasserbetriebe wollen nun vor das Oberlandesgericht Düsseldorf ziehen. Da auch das Kartellamt an einer grundsätzlichen Klärung der Problematik interessiert ist, wird der Fall – unabhängig vom Ausgang des Düsseldorfer Verfahrens – mit hoher Wahrscheinlichkeit anschließend noch den Bundesgerichtshof beschäftigen.

Garantieren Unternehmen in öffentlicher Hand günstigere Gebühren?

Auch öffentliche Unternehmen sind häufig dem Zwang zur Rendite unterworfen, um damit andere öffentliche Aufgaben zu finanzieren, die politische Mandatsträger für sich reklamieren wollen. Dies gilt für viele kommunale Unternehmen, Versorger wie Strom-, Wasser- oder Gasbetriebe oder Entsorger wie Abfallunternehmen. Besonders schlimm ist die Situation häufig in ländlichen Gebieten, wo die Verbraucher aufgrund von monopolartigen Strukturen jede noch so überzogene Gebühr bezahlen müssen. Aus diesem Grund liegt dem Bundeskartellamt so viel an einer endgültigen Klärung der Berliner Frage: Bei einem Sieg vor Gericht kann das Amt auch gegen andere monopolartige, öffentliche oder teilprivatisierte Ver- und Entsorger Missbrauchsverfahren in die Wege leiten.


Quelle: Der Tagesspiegel

Berliner Wasserbetriebe, Neue Jüdenstr. 1, 10179 Berlin

Weitere Artikel zum Thema

Wohnen + Leben
Berliner Wasser könnte teurer werden
Trotz dreistelliger Millionengewinne bei den Wasserbetrieben könnte es noch in diesem Jahr Preiserhöhungen geben. Denn […]
Wohnen + Leben | Service
Top 5: Berliner Kurierdienste
Du möchtest deiner Oma einen Kuchen schicken? Brauchst heute Abend dringend eine schicke Tasche? Oder […]
Wohnen + Leben | Service
Der Berlkönig darf weiterfahren
Nach noch nicht einmal zwei Jahren Testbetrieb sollte der Berlkönig eigentlich schon im April wieder […]