Ein Trauerspiel

Das große Schlussmachen: Clubs, Cafés und Bars geben auf

Schild Sorry We're Closed an der Glastür
Geschlossen. Für immer. Wenn du das an der Tür deines Lieblingsladens siehst, ist es einfach nur traurig ...
Gentrifizierung, enorme Konkurrenz und maßloses Überangebot: Berlin ist ein hartes Pflaster für Gastronomen. Doch wenn Institutionen aufgeben und Schmuckstücke verschwinden, geht es uns ans Herz. Ein Abschiedsbrief.

Berlin, was ist bloß los mit dir? In unserer ach so vielfältigen Metropole sterben die coolsten Locations weg. Vor kurzem hieß es bye, bye Johnny Knüppel, dann fiel das Bassy und nun stirbt das Rosi’s. Kleinen Kiezlieblingen ergeht es nicht besser: das Filou, die Sybille, die Bar Babette. .. ja, es trifft sogar Platzhirsche wie das Swissôtel, denn auch die einstige Wirkungsstätte von Tim Raue wurde rausgekündigt. Die jüngsten Todesfälle vom Kreuzberger Weltrestaurant und dem Schöneberger Café der Fragen geben uns das Gefühl, die Heimat zu verlieren.

Kommen, um zu bleiben

Fast 3,5 Millionen Menschen leben hier. Viermal so viele Touristen strömen Jahr für Jahr durch die Straßen und es werden immer mehr. Mehr, die kommen und mehr, die bleiben. Die Hauptstadt hat eben viel zu bieten. Auch in der Gastronomie. Von der Sterneküche bis zur Kultcurrybude. Von der Minibar bis zum riesigen Berghain. Von dem kleinen Bäcker bis zur Kaffeehauskette. Vielen Gastronomen geht die Luft aus. Die Mieten steigen, Pachtverträge werden gekündigt, weil Tiefgaragen pflegeleichter und gewinnträchtiger sind oder der Umsatz geht in den Keller, weil Neues einfach besser funktioniert – allerdings nur, weil es neu ist. Schon bald können sich diese optimistischen Anfänger bei den Aufgebern einreihen. Die einzige Konstante in dieser Stadt ist der stete Bau von Eigentumswohnungen und Bürogebäuden. Und da schließt sich ein Unsinnskreis: In den angesagten Bezirken können sich diejenigen, die das kreative Bild Berlins mitprägen und gute Lokale zu schätzen wissen, oft die Miete nicht mehr leisten.

Berlin verläuft sich

Die Subkultur verschwindet, das weltbekannte Feiertum verliert seinen Berliner Charme und die originellen Anlaufstellen für Vergnügungssuchende fallen einfach weg. Aber sie waren es – neben den Museen, Galerien, Konzerten, Theatern und Festivals – die Berlin zu dem gemacht haben, was es heute ist. Das Café der Fragen war zum Beispiel ein Ort, wie es ihn sonst nirgendwo gibt in der Stadt.

Hier standen nicht die Pancakes und das Clean Eating im Vordergrund, sondern die Gespräche. „In einer Stadt wie Berlin nimmt sich keiner mehr die Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen“, sagt Nadine Köhler, die mit Alexander Keller gemeinsam das Café eröffnet hatte. Sie wollten nie Gastronomen sein, sondern einen Rückzugsort anbieten, den leider kaum jemand in der überlaufenen City zu nutzen wusste. Um sich und anderen Fragen zu stellen, braucht man eben mehr als einen flüchtigen Gedanken und eine kurze Begegnung.

Dicke Berliner Luft

Das Angebot in der Stadt ist riesig und jeder hat Angst etwas zu verpassen. Das Dumme ist nur, dass wir dabei auf der Strecke bleiben. Wenn du jemanden zum Kaffee triffst, klingelt gewiss das Handy und ein anderer versucht dich zum nächsten Event zu locken. Es kann doch nicht sein, dass wir nichts dagegen machen können? Wir sind die Berliner, wir sind das Volk. Lasst uns nicht wie aufgescheuchte Hasen von Neueröffnung zur Neueröffnung rasen. Ein Ort, an dem es uns wirklich gefällt, ist doch mehr wert, als der kurze Spaß. Das ist wie in der Liebe: Finde, was dich glücklich macht und halte daran fest! Für das Café der Fragen, das Bassy, das Rosi’s… ist es zu spät. Ok, gegen die Gier der Hausbesitzer und Grundstückseigentümer kann vielleicht nicht einmal die Liebe etwas ausrichten. Aber es liegt was in der Berliner Luft… und das stinkt gewaltig.

Café der Fragen (GESCHLOSSEN), Winterfeldtstraße 17, 10781 Berlin

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