„Theater? Nix für mich. Ich hab kein Sitzfleisch.“ Diese Ausrede gilt ab sofort nicht mehr, selbst für Theatermuffel ist „Menschen im Hotel“ ein wirkliches Erlebnis. Ich selbst finde Theater eher so mittel. Meist habe ich nach der Hälfte des Stücks schon genug und schaue im zweiten Teil verstohlen auf die Uhr. Nicht, weil ich die Kunst nicht schätze. Ich kann es einfach wirklich nicht lange gut an einem Ort aushalten. Muss ich auch nicht, in diesem Fall. Im Grunde muss ich wirklich viel an diesem Abend – nur nicht an einem Ort bleiben.
Ich treffe mich mit meiner Freundin Bridge in der Vaganten Bühne am Zoo. Eine kleine, unscheinbare Bühne, fast bis auf den letzten Platz ist alles ausgebucht. Die Hauptfiguren werden vorgestellt. Die Zeitreise in die goldenen Zwanziger beginnt. Unter anderem treffen wir eine große Filmdiva, ihre nervöse Assistentin und einen Buchhalter, der nicht mehr lange zu leben hat und seine letzten Tage in vollen Zügen genießen möchte. Nach etwa 10 Minuten werden wir gebeten, den Saal zu verlassen. Schon vorbei? Nein! Vor der Tür werden wir in vier Gruppen aufgeteilt und folgen unseren „Reiseführern“ – jeweils einem der Schauspieler – ins gegenüberliegende Savoy Hotel. 1929 erbaut, erstrahlt das Hotel wie damals golden und rot, viel Samt, viele Kronleuchter. Greta Garbo und Billy Wilder waren in diesem Haus zu Gast, irgendwie scheinen die Geister dieser Zeit hier noch unterwegs zu sein.
Das Publikum läuft mit
In unseren Gruppen, wir sind etwa zu zehnt, betreten wir im Hotel verschiedene Zimmer und Salons, in denen die einzelnen Szenen gespielt werden. Ich ziehe den Hut vor den Schauspielern. Sie spielen die Szenen oft ganz alleine und das vor Berliner Publikum, das ja gerne mal sehr sparsam mit euphorischen Gesichtsausdrücken umgeht und mit verschränkten Armen auf den Stühlen sitzt. Der Berliner meint das gar nicht so, aber für einen Darsteller, der direkt zwischen den Gästen spielt, ist das sicher eine große Herausforderung.
Die sechs Stockwerke werden abgelaufen, wer es nicht schafft, darf im Ausnahmefall den Fahrstuhl nehmen. Ich mag, dass es in einem der Zimmer Sekt gibt, in einem anderen Salzstangen, und im Greta Garbo Zimmer (eingerichtet ganz nach ihrem glamourösen Geschmack) gibt es Gummibärchen aus der Minibar. Das stärkt – bei der ganzen Lauferei durchs Hotel. Wir müssen still sein, während wir von Zimmer zu Zimmer (per Kopfhörer) geführt werden, denn der Hotelbetrieb geht natürlich ganz normal weiter. Es ist erstaunlich, dass alle Gruppen gleichzeitig fertig sind und es keinen Verzug gibt. Dieser komplizierte Ablauf funktioniert tatsächlich reibungslos.
Ein Zimmermädchen schrieb die Vorlage
Das Savoy Hotel ist allerdings wirklich ein toller Schauplatz, zudem macht es einfach wahnsinnig viel Spaß, in Zimmer zu gelangen, die man sonst nicht so einfach betreten kann – außer man greift tief in die Tasche und mietet sich ein. Applaus für die Schauspieler, Applaus für die Professionalität; so ein Projekt so perfekt hinzukriegen ist wirklich eine große Leistung. Ein tolles Stück für alle Berliner und natürlich Touristen. Und etwas zum Nachdenken. Über das Leben und wie man es leben möchte. Ich hoffe, dass ich in dieser Nacht von Greta Garbo träume. Immerhin habe ich zwischendurch auf ihrem Bett gesessen. Vielleicht ist ja ein Stück ihres glamourösen Geistes auch in mich übergegangen.