Im Kiez Grunewaldstraße wächst die Angst

Das Schöneberger "Horrorhaus"

Die Fassade des Hauses Grunewaldstraße sieht intakt aus. Dahinter verbergen sich laut Bezirksamt kriminelle Machenschaften.
Die Fassade des Hauses Grunewaldstraße sieht intakt aus. Dahinter verbergen sich laut Bezirksamt kriminelle Machenschaften.
Die Grunewaldstraße 87 in Schöneberg ist eigentlich ein Juwel, doch seit einigen Wochen gibt es Ärger mit neuen Bewohnern. Im Umfeld steigt die Kriminalität.

35 Anzeigen hat sie bei der Polizei aufgegeben. Wegen Beleidigung, Sachbeschädigung, Wohnungsaufbrüchen, Feuermachen im Haus. Auch als ihre neuen Nachbarn im Hof Hühner schlachteten, rief sie die Polizei. Martha S. aus der Grunewaldstraße 87 in Schöneberg hat keine Angst, ihre Empörung zu äußern, zur Not mit vollem Namen. Zu ihrem Schutz verwenden wir trotzdem einen anderen. Ihre Nachbarn sind da vorsichtiger. Es habe schon massive Drohungen gegeben und Beschimpfungen, sie seien Rassisten. Einige trauen sich kaum noch aus ihrer Wohnung, aus Angst vor Einbrüchen.

Die Grunewaldstraße 87 ist ein üppig verziertes Gründerzeithaus, ein Architekturjuwel in unmittelbarer Nähe zum Akazienkiez, doch seit Wochen wird das Juwel auch als „Horrorhaus“ bezeichnet. Seit es Ende 2014 verkauft wurde – damals stand es zur Hälfte leer – sind viele Familien aus Rumänien und Bulgarien, vor allem Roma, eingezogen. Und mit ihnen Kriminalität und Müll. Es gibt vermehrt Diebstähle und Einbrüche in der Umgebung. Wobei unklar ist, welche Rolle die Roma dabei spielen. Für den Verein Amaro Foro sind sie vor allem Opfer. „Rumänische Bewohner werden unter anderem mit Mord und Entführungen bedroht“, sagt Vereinschef Merdjan Jakupov. Es müsse besonders für die Kinder – etwa 50 sollen laut Bezirksamt im Haus leben – eine „alternative Unterbringung“ gefunden werden.

200 Strafanzeigen seit Herbst 2014

Die verbliebenen Alt-Mieter vermuten mafiöse Strukturen im Haus – auch von organisierter Kriminalität ist die Rede. Das Geld kassierten dann Hintermänner als „Mietzahlung“. Hinweise auf kriminelle Strukturen gebe es derzeit nicht, sagt dagegen Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Allerdings mindestens 200 Strafanzeigen seit Herbst 2014, eine „massive Häufung“ von Delikten im Umfeld des Hauses wie Einbruch, Diebstahl oder Körperverletzung. Oft kämen die Täter aus dem Haus Nummer 87. Für Haftbefehle reichten die Delikte meist nicht aus. Oft würden strafunmündige Kinder zum Klauen geschickt.

Seitenflügel und Hinterhäuser sind in einem desolaten Zustand. Die Toiletten auf halber Treppe sind vermüllt oder kaputt, Türen stehen offen, andere Wohnungen sind verrammelt. Einige Frauen fegen in ihren Wohnungen Unrat zusammen, auch im Hof wird am Donnerstag gefegt. Die Wohnungsaufsicht kommt jede Woche zur Visite.

Neue Bewohner haben „andere Kultur“

Die Nachbarn klagen über Müll, der aus den Fenstern geworfen wird, lautstarke Auseinandersetzungen in der Nacht, Männer, die ihre Frauen peinigen. Das Kiezleben sei erheblich gestört. Die neuen Bewohner selbst seien im direkten Umgang sehr offen und freundlich, sagt ein Alt-Mieter, „sie haben nur eine andere Kultur“. Der neue Eigentümer, Klaus B., benutze die Roma dazu, Alt-Mieter aus dem Haus zu graulen, um es sanieren zu können. Die Mieter wollen aber bleiben, allein schon wegen der günstigen Mietverträge. Die Wohnungen haben teilweise keine Toiletten und Ofenheizung, 35 Quadratmeter kosten 115 Euro.

Die zuständige Stadträtin Sibyll Klotz (Grüne) sagt, viele Missstände im Haus seien auf Betreiben der Wohnungsaufsicht schon beseitigt worden, mehrfach habe die Stadtreinigung Müll abgefahren. Die Wohnungen seien nicht mehr überbelegt, Kinder gingen zur Schule. Aber es gebe vermutlich eine „Armutsausbeutung“ im Haus. „Das Hauptproblem ist, dass ein Vermieter mit krimineller Energie unterwegs ist.“ Der Vermieter, Klaus B., sei derzeit nicht zu sprechen, heißt es in seinem Büro. Auch auf eine Mail regierte er nicht.

30 „Schrotthäuser“ gibt es im Bezirk

Das Phänomen der „Schrotthäuser“ ist nicht neu. Allein 30 gebe es in ihrem Bezirk, sagte Klotz. Eigentümer lassen ihre Häuser verkommen und kassieren hohe Mieten von dubiosen Vermittlern, die Schlafplätze an Wanderarbeiter vergeben. Wenn die Eigentümer einem Verkauf zustimmen, können solche Häuser saniert werden. Das ist in einigen Fällen wie in der Harzer Straße in Neukölln auch geschehen. Dort wurde den Roma-Familien bei der Integration geholfen.


Quelle: Der Tagesspiegel

Das Schöneberger "Horrorhaus", Grunewaldstr. 87, 10823 Berlin

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