Jedes Jahr am 29. September legen die Siebtklässler des Grunewalder Walther-Rathenau-Gymnasiums einen Kranz an der Stelle ab, an der der Namenspatron ihrer Schule 1922 von Rechtsextremisten ermordet worden war. In diesem Jahr werden es allerdings Achtklässler sein, die an Rathenaus Geburtstag zu dem Gedenkstein an der Königsallee kommen. Denn an der Schule gibt es momentan gar keine Siebtklässler – es hatten sich nicht genügend Schüler angemeldet, als dass es für eine ganze Klasse gereicht hätte.
Viele sahen deshalb schon den Fortbestand des traditionsreichen Gymnasiums bedroht, das 1903 als Grunewald-Gymnasium gegründet worden war und seit 1946 den Namen des jüdischen Politikers Rathenau trägt, der in der Weimarer Republik Außenminister war. Auch der Historiker Michael Wolffsohn schaltete sich ein und appellierte an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), dass der Name Walther Rathenau erhalten bleiben müsse, das sei der deutsch-jüdischen Geschichte geschuldet.
Keine Schließung in Sicht
Auch über eine Fusion mit dem nahegelegenen Hildegard-Wegscheider-Gymnasium wurde im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf von Stadträtin Elfie Jantzen (Grüne) schon laut nachgedacht. Denn mit der Schule kooperiert das Rathenau-Gymnasium schon seit vielen Jahren in der Oberstufe, und dort waren die verbliebenen 26 Siebtklässler-Interessenten untergekommen. Weil auch an der Wegscheider-Schule die Anmeldezahlen niedrig waren, reichte es nur für die Bildung von zwei neuen siebten Klassen.
Doch all den Befürchtungen um eine Schließung oder Fusion machte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus ein Ende. „Eine Zusammenlegung ist derzeit kein Thema“, sagte sie. Eine Schließung schloss sie ebenfalls aus. An beiden Standorten sollten zum nächsten Schuljahr wieder siebte Klassen eingerichtet werden. Angesichts der Entwicklung der Schülerzahlen sei davon auszugehen, dass beide Standorte in Zukunft benötigt werden. Nach Prognosen der Bildungsverwaltung steigt die Schülerzahl in Charlottenburg-Wilmersdorf von derzeit 24.870 auf 28.030 im Schuljahr 2022/23. Im Bereich der Gymnasien gibt es zwar in den nächsten Jahren einen Schwund, ab 2019 sollen die Zahlen aber auch da wieder steigen. 2022 gäbe es nach einer Modellrechnung für Charlottenburg-Wilmersdorf, die dem Tagesspiegel vorliegt, rund 600 Gymnasiasten in den Klassen sieben bis zehn mehr als jetzt.
Das Walther-Rathenau- und das Hildegard-Wegscheider-Gymnasium müssen nun bis zum nächsten Schuljahr genügend Interessenten gewinnen. Noch ein Jahr ohne siebte Klassen, das gehe nicht, sagt die Schulleiterin des Rathenau-Gymnasiums. Auf der Oberschulmesse des Bezirks am 7. Oktober wollen die Schulen für ihre Profile werben.