Vom Kindergeburtstag bis zur Knutscherei auf der Party, vom Besuch in Ostberlin mit seinen Sehenswürdigkeiten bis zum Urlaub in Brandenburg: An Filmaufnahmen solcher Alltagsmomente in der Deutschen Demoktatischen Republik kommst du mit nur wenigen Klicks. Insgesamt 415 Stunden Filmmaterial aus den Jahren 1947 bis 1990 kann sich jetzt jeder auf der Webseite der Open Memory Box ansehen. Und zwar weltweit – mit Untertiteln auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Russisch. Hinter dem internationalen Filmprojekt stecken der kanadische Politikwissenschaftler Prof. Laurence McFalls und der schwedisch-argentinische Filmproduzent Alberto Herskovits. Sie lassen das Leben der Ostdeutschen über die Bildschirme dieser Welt flimmern.
Was ein Kanadier und ein Schwede mit der DDR zu tun haben? McFalls beschäftigt sich von Kanada aus schon seit 30 Jahren mit der deutschen Wiedervereinigung, Herskovits hat früher schon einen Dokumentarfilm in der noch bestehenden DDR gedreht. Seit mittlerweile sechs Jahren arbeiten sie an einem gemeinsamen Projekt, um Privatvideos aus der DDR-Zeit frei zugänglich zu machen. Sie wollen sehen, wie sie damit die deutsch-deutsche Erinnerungskultur bereichern können: „Unsere Absicht ist, Stereotypen – sowohl schönfärberische als auch schwarzmalerische – bei der Bewertung der DDR-Vergangenheit mit einer anderen Sichtweise aufzubrechen“, sagt McFalls.
So funktioniert das kostenlose DDR-Archiv
Für diese „andere Sichtweise“ hat das Team der Open Memory Box nicht nur 2.283 Filmrollen digitalisiert, sondern sie auch auf besondere Weise organisiert. Damit du da noch durchblickst, gibt es 2.700 Suchbegriffe und 45.000 Marker, mithilfe derer du den Videowust durchsuchen kannst. Du kannst zwischen den Filmen springen oder dir einzelne Filmrollen ganz ansehen. Oder auch ganz dem Zufall überlassen, welche Filmschnipsel abgespielt werden.
Konkret sieht das so aus: Du wählst auf der Webseite, ob du Filme im Archiv oder im Anti-Archiv sehen möchtest. Für das Anti-Archiv sind zweisekündige Filmausschnitte nach Stichworten zusammengeschnitten worden. Es gibt eine Aneinanderreihung von Filmsequenzen unter Schlagworten wie „Prosit“, „Glücklich“, „Trabi“, „Frauen“ oder „System“. Ein Zufallsgenerator erstellt dabei immer wieder neue Videomontagen. Da keiner der Filme über eine eigene Tonspur verfügt, hörst du beim Abspielen allgemeine Melodien, Geräusche oder Ausschnitte aus Interviews und von Fernsehaufnahmen. Unter den Filmen steht, aus welcher Filmrolle die Szenen stammen. Mit einem Klick kannst du auch direkt in diese Rolle springen und sie komplett ansehen.
So sahen der Spreepark und Co vor dem Fall der Mauer aus
Im Archiv kannst du dagegen konkret werden: Videos aus den verschiedenen Jahrzehnten wählen, nach verschiedenen Orten oder Schlagwörtern suchen – nach dem Spreepark oder dem Tierpark in Friedrichsfelde zum Beispiel. Auch einzelne „Boxen“ kannst du ansehen – die je alle Filmrollen von derselben Quelle bzw. Familie beinhalten. Davon gibt es einige, denn insgesamt haben 149 Privatpersonen aus 102 Orten Aufnahmen eingereicht!
Besonders sehenswert finden wir die Produktionen, die du unter dem Punkt Geschichten findest. Darin kommentiert die Person, die ihre Privatvideos für das Projekt zur Verfügung gestellt hat, was zu sehen ist. Du hörst, wie „Mutti“ und „Vati“ so waren, wie man sich beim Trampen nach Berlin gefühlt hat oder wie eine Demonstrationen zum 1. Mai ablief. Näher kommt man wohl nicht mehr an das wahre Leben in der DDR heran. Vor allem nicht, wenn man selbst niemanden kennt, der authentisch aus dem Leben in diesem besonderen Land berichten kann. Doch egal, ob du dank der Filmaufnahmen etwas dazulernen oder einfach in Erinnerungen schwelgen möchtest: Ein Blick auf diese Bilder lohnt sich auf jeden Fall!