Nachdem ich zum x-ten Mal mit meinen Berlin-Besuchern immer wieder die gleichen Sehenswürdigkeiten angeschaut habe, wollte ich das Spektrum – nicht nur für meine Freunde, sondern auch für mich – erweitern. Berlin lässt sich schließlich unter vielen Aspekten betrachten. Ein Zeitungsartikel über das vietnamesische Kaufhaus in Lichtenberg brachte mich auf die Idee, Berlin mit anderen Augen zu sehen und dem asiatischen Leben in Berlin nachzuspüren.
Wo ich es fand? Nun, nicht gleich um die Ecke, aber auf dem S-Bahn-Ring bis Landsberger Allee und von dort ein paar Stationen mit der M8 Richtung Ahrensfelde bis Herzbergstraße/ Industriegebiet ist es sehr gut zu erreichen. Die Straßenbahn hält direkt vor dem Eingang. Man geht durch den Torbogen und ist erstmal ernüchtert, denn das ehemalige Betriebsgelände der VEB Elektrokohle hat nichts an Charme dazu gewonnen. Man sieht ihm seine Vergangenheit als industrielle Betriebsstätte immer noch an.
Hier haben einmal über 3.000 Menschen gearbeitet und Graphitelektroden, Kohlestifte, Kohlebürsten, medizinische Geräte und Scheinwerfer hergestellt. Nach der Wende hatte 1996 eine amerikanische Firma den Produktionsbereich Großkohle übernommen. Als es aber ein Jahr später in der Stahlindustrie, die einer der Hauptabnehmer war, kriselte, wurde die Produktion ganz eingestellt und die Gebäude abgerissen, die Schornsteine gesprengt.
Blühende Frühlingswiese
2006 eröffnete hier das Center seine Hallen. Übersetzt heißt Dong Xuan „blühende Frühlingswiese“. Ein hoffnungsvoller Name, der vielleicht auch daraufhin hinweist, dass hier bald mehr erblühen soll. Geplant ist ein ganzer asiatischer Stadtteil entlang der Herzberg- und der Vulkanstraße. Hier sollen Geschäfte entstehen, Büros für Dienstleister aller Art und vor allem Wohnungen für die Handelstreibenden. Aber das ist noch Zukunftsmusik, wenden wir uns den Hallen zu.
Sie ziehen vor allem am Wochenende vietnamesische Familien an. Hier gehen sie zum Frisör oder ins Nagelstudio. Man trifft sich in den Restaurants oder in den Lebensmittelmärkten. Die Lebensmittel werden übrigens längst nicht mehr alle importiert, sondern inzwischen auch schon in Berlin und Brandenburg angebaut bzw. hergestellt. Die kleinen Läden in den langen Lagerhallen bieten Kleidung, Schuhe, Taschen, Geschenk- und Dekoartikel. Viele Händler kommen selbst aus Nachbarländern, um sich hier bei den Großhändlern mit Waren einzudecken. Die Hallen vermitteln gerade am Wochenende einen kleinen Einblick vom Leben der Vietnamesen in Berlin und sind einen Besuch wert.
Geöffnet ist täglich außer dienstags von 10 bis 20 Uhr. Und weil die Vietnamesen sich sehr ruhig, freundlich und unauffällig verhalten, interessierte mich plötzlich die Frage: Wie leben sie eigentlich in Berlin? Aber davon vielleicht ein anderes Mal mehr. Chúc vui vẻ, viel Spaß – und machen Sie doch mal einen Ausflug auf die “Blühende Frühlingswiese”
Dieser Text wurde uns zur Verfügung gestellt vom Blog Berlin ab 50, einem von fünf Berlinerinnen initiierten Portal für die Generation der Best Ager – und alle anderen interessierten Leser und Schreiber.