Gleich vorweg, die Ausstellung „Schloss Bau Meister – Andreas Schlüter und das barocke Berlin“ ist bis zum 24. August verlängert worden. Sie haben also noch Zeit, sich selbst ein Bild zu machen. Sie können aber auch durch Berlin streifen und sich die wenigen erhaltenen Werke von Andreas Schlüter vor Ort ansehen – und schon sind wir mitten im Problem der Ausstellung.
Diese „erste umfassende Ausstellung überhaupt“ (so die Broschüre) hat es schwer, Andreas Schlüters große Bedeutung für die Residenzstadt Berlin sinnlich erfahrbar zu machen. Denn es gibt nur noch wenige erhaltene Werke von ihm selbst und kaum Zeugnisse über seinen Lebensweg, seine Familie und Herkunft, kaum private Mitteilungen seiner Zeitgenossen und seiner Kollegen zu Lebenszeit, außer vielleicht zu den Intrigen seiner Kontrahenten am Berliner Hof (die aber in der Ausstellung keine Beachtung finden).
Fader Beigeschmack
Deshalb werden im Bode-Museum seine italienischen und französischen Vorbilder – zum Beispiel Gian Lorenzo Berninis Medusenhaupt oder Francois Girardons Fuß der Statue Ludwig XIV – gezeigt und dies schafft an manchen Stellen tatsächlichen den im Flyer versprochenen „spannungsvollen Dialog“. Und doch, trotz 230 Exponaten – Skulpturen, Gemälde, Graphiken sowie Bauplastiken, kunstgewerbliche Arbeiten und Modelle – entlässt uns dieses ambitionierte Unternehmen, den vielseitigen und für diese Stadt so wichtigen Baumeister und Bildhauer zu würdigen, mit einem etwas faden Beigeschmack : Bei allen Bemühungen um die Darstellung des von ihm begleiteten Aufstiegs der Residenzstadt Berlins nach der Königskrönung Friedrich I in Preußen, bleibt der Künstler Andreas Schlüter in der Ausstellung ein Phantom.
Nicht nur weil es eben nur noch wenig Erhaltenes gibt, sondern auch weil wir uns des Eindrucks nicht erwehren konnten, dass die Hauptaufmerksamkeit vor allem auf den Wiederaufbau des Berliner Schlosses gerichtet werden soll. Natürlich weist uns bereits der Titel auf den Fokus der Ausstellung hin, und doch wünschten wir uns ein etwas umfassenderes Bild. Nicht nur sein Leben und die Umstände, die zu seiner Entlassung nach dem Tod des gleichaltrigen Friedrich I. führten, sind voll emotionaler Dramatik. In seinen letzten Berliner Jahren lebte er zurückgezogen, Neid und Intrigen begleiteten ihn. Und doch bleiben die wenigen erhaltenen Informationen über Persönliches im Bode-Museum ausgespart.
Die „Köpfe sterbender Krieger“
Der in Danzig als Sohn eines Bildhauers geborene Schlüter war zuallererst Bildhauer, dann erst – u.a. durch die Begleitung von Bauvorhaben des Architekten van Gameren in Danzig und Wilanow – Architekt. 1694 wurde Schlüter zum Hofbildhauer des Kurfürsten Friedrich III. berufen, seine ersten Arbeiten galten dem Innenausbau des Potsdamer Stadtschlosses (das gerade wiederaufgebaut wurde). 1696 folgten die Schlusssteine der Fensterbögen als „Köpfe sterbender Krieger“ am Zeughaus (kann man sich heute noch ansehen), 1699 wurde er zum Schlossarchitekten ernannt, um die anstehende Krönung des Kurfürsten zum König Friedrich I. in Preußen auch am Schloss sichtbar vorzubereiten.
Seit 1696 war Schlüter mit dem Auftrag für ein Reiterstandbild des Großen Kurfürsten beschäftigt, das 1703 vor dem Schloss aufgestellt wurde (heute steht es vor dem Schloss Charlottenburg, eine Kopie im Bode-Museum) – eine für damalige Zeiten meisterliche Leistung der Bronzegießerei. Die Ausstellung zeigt die Vorbilder für das Standbild und die großartige technische Vorbereitung und Durchführung des Gusses am Modell. Doch im Mittelpunkt seiner Arbeit stand die Schlosserweiterung. 1701 waren die neue Fassade am Schlossplatz mit großem Portal, das Treppenhaus (als Modell in der Ausstellung) und der Innenhof fertig. Die Architektur Schlütersfolgte dabei der klassisch strengen römischen Variante des Barock. Auch der Innenausbau wurde durch Schlüter gestaltet.
Der schiefe Turm von Berlin
Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes wurde ihm das nächste Projekt zum Verhängnis: Der mit 90 Meter Höhe geplante Münzturm auf dem morastigen und sandigen Berliner Boden begann sich schon bei den Bauarbeiten zu neigen. Seine Konkurrenten und Neider nutzen diese Situation für sich und besiegelten damit sein Ende als Hofbaumeister. Er bekam nur noch private Aufträge (Villa Kamecke, in der Dorotheenstraße, im 2.Weltkrieg zerstört und 1950 abgetragen – vier erhaltene Figuren sind im Bode-Museum zu sehen).
Mit dem Tod Friedrich I. 1713 endet für Schlüter seine Berliner Zeit und er folgt dem Ruf Peter des Großen nach St. Petersburg, wo er bereits ein Jahr später starb. Vermutlich wurde er auf dem barocken Friedhof des Newski-Kloster beerdigt. Schlüter beriet den Zaren bei seinen Plänen für die wunderbare barocke Schlossanlage Peterhof am Finnischen Meerbusen und für das Sommerpalais mit Garten und Fontänen für Zar Peters zweite Frau Martha Elena Skawronska, die Zarin Katharina I. Lediglich in einem Film am Ende der Ausstellung wird auch über Schlüters Wirken außerhalb von Berlin berichtet. Kurz und knapp. Danzig, Warschau, Berlin, Potsdam und St. Petersburg. Nun gut, die Ausstellung wollte ja nur „das barocke Berlin“ zeigen.
Machen Sie sich auf den Weg zur Nikolaikirche, wo Schlüter 1700 das Grabmal seines Freundes, des Hufschmieds Männlich gestaltete, oder zur Marienkirche, in der Sie die 1703 entstandene Kanzel bewundern können oder zum Dom, in dem die Prachtsarkophage von der 1705 verstorbenen Sophie Charlotte und Friedrich I. stehen. Und natürlich die Schlusssteine im Zeughaus, heute Deutsches Historisches Museum. Und jetzt sind wir gespannt auf Andreas Schlüters Biographie. Wir machen uns auf die Suche.
Dieser Text wurde uns zur Verfügung gestellt vom Blog Berlin ab 50, einem von fünf Berlinerinnen initiierten Portal für die Generation der Best Ager – und alle anderen interessierten Leser und Schreiber.