Splanemannsiedlung - Bis Ende Februar 2016 informiert das Museum Lichtenberg mit der informativen Ausstellung "Stein | Schlacke| Beton - Neues Bauen in Lichtenberg" über die architektonische Entwicklung des Bezirks. Der Blog Berlin ab 50 erzählt die Geschichte des modernen Bauens in einer mehrteiligen Serie nach.
Die ab 1926 errichtete Splanemann-Siedlung in Lichtenberg ist die erste industriell erbaute Wohnsiedlung, hier steht die erste „Platte“ Deutschlands. Ihr Urheber, Martin Wagner (5.11.1885 Königsberg bis 28.5.1957 Cambridge) war seit 1918 Stadtbaurat in Schöneberg und seit 1926 Berliner Stadtbaurat. Als überzeugter Sozialist versuchte er, in den notwendigen Massenwohnungsbau soziale Ziele zu integrieren. Durch die Erhebung der von ihm vorgeschlagenen „Hauszinssteuer“ konnte das umfangreiche Wohnungsbauprogramm zur Verbesserung der sozialen Wohnsituation seit Anfang der 20iger Jahre in Berlin realisiert werden. Dazu gehörte der Bau von Großsiedlungen wie zum Beispiel der Hufeisensiedlung in Britz. Dort hatte Wagner zwar den weitgehenden Einsatz von Baumaschinen durchsetzen können, nicht aber den Einsatz von Platten, von dem er sich eine Senkung der Baukosten versprach.
Dies gelang ihm 1927 bei der Siedlung, die er für den Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegshinterbliebenen in Berlin-Friedrichsfelde entwarf (heutige Splanemannsiedlung, nach dem Antifaschisten Konrad Splanemann benannt). Der Entwurf wurde durch den Architekten Wilhelm Primke – der ursprünglich Ziegelbauweise vorgesehen hatte – mit der Occident AG als Baufirma umgesetzt. Die „Gemeinnützige Reichsbundkriegersiedlung GmbH“, die preiswerte und hygienische Kleinwohnungen für Kriegsteilnehmer und Hinterbliebene errichten wollte, war Bauherr.
Gearbeitet wurde nach dem holländischen System Bron, einem nach amerikanischem Vorbild entwickelten Schnellbausystem. Die vor Ort in Formen mit eingelegten Fensterrahmen und mit Stahl armierten 25 qm großen Platten wurden schichtweise gegossen und trockneten dann 10 Tage. Mit Hilfe eines Portalkrans konnten dann in 8 Stunden bis zu 360 qm Wand aufgestellt werden. Keller und Dach entstanden auf herkömmliche Art. Nur die Obergeschosse wurden aus der Betonplatte errichtet. War die erste Etage aufgestellt, konnten die Platten für das zweite Obergeschoss gegossen werden. Die Betonplatten waren von guter Qualität, auf der Innenseite wurde ein dünner Putz aufgebracht, außen wurden sie nur angestrichen. Die in engen Karrees stehenden und normale Straßenfluchten formenden Häuser tragen Satteldächer und haben zurückgesetzte, vom expressionistischen Bauen inspirierte Treppenhaussegmente.
Die Wohnungen waren mit Bad und WC, einer Kammer, Balkon oder Loggia ausgestattet und wurden durch Kachelöfen beheizt. Kleine Vorgärten und hinter den Häusern liegende Mietergärten folgten der Forderung nach „Luft, Licht und Sonne für alle“. Die 1930 im Stil der Moderne fertiggestellte Siedlung bestand aus 31 zweigeschossigen Häusern, die in Zeilen zusammengefasst 138 Wohneinheiten mit zwei bis drei Zimmern beinhalteten. Obwohl städtebaulich kleinteilig mit nur geringer Typisierung der Bauteile und Konventionalität des Entwurfs, gab es bereits bei Fertigstellung heftige Kritik an der „unerträglichen“ Gleichheit der Häuser.
Auch die ökonomischen Erwartungen an die Plattenbauweise hatten sich nicht erfüllt. Der Bauplatz war zu verwinkelt, der Portalkran musste oft umgestellt werden und die Betonplatten konnten nicht in einem Zuge gegossen werden. Damit war die kurze Episode des Plattenbaus in Deutschland beendet. Hinzu kam, dass in der Zeit des Nationalsozialismus kaum öffentliche-gemeinnütziger Wohnungsbau betrieben wurde, sondern unter ideologischen Gesichtspunkten Kleinsiedlungsprojekte bevorzugt wurden. Im 2. Weltkrieg wurde eine Hauszeile mit 20 Wohnungen zerstört. Die verbliebenen Häuserzeilen wurden in den letzten Jahren saniert.
Die Siedlung an der Splanemannstraße/Friedenhorster Straße liegt in der Nähe der U-Bahn-Station Tierpark und ist gut zu erreichen. Unsere nächste Reise geht nach Johannisthal.
Dieser Text wurde uns zur Verfügung gestellt vom Blog Berlin ab 50, einem Portal für die Generation der Best Ager – und alle anderen interessierten Leser und Schreiber.