Victoriastadt - Bis Ende Februar 2016 informiert das Museum Lichtenberg mit der informativen Ausstellung "Stein | Schlacke| Beton - Neues Bauen in Lichtenberg" über die architektonische Entwicklung des Bezirks. Der Blog Berlin ab 50 erzählt die Geschichte des modernen Bauens in einer mehrteiligen Serie nach.
In Lichtenberg stehen wichtige Bauten vom Beginn des 20. Jahrhunderts, die aus der Vorgeschichte des industriellen Bauens stammen und sowohl den Einsatz neuer Baustoffe als auch neuer Techniken belegen. Ob die Bauten in der Victoriastadt von 1870, die Großhallen in Spannbetonbauweise von 1907 in Karlshorst oder die Splanemann-Siedlung, die 1926/27 in der heutigen Splanemann- und Friedenhorster Straße nach Planungen von Martin Wagner entstand – Lichtenberg bietet einige Ganzstücke des frühen industriellen Bauens.
Die Victoriastadt in Rummelsburg, im Südwesten Lichtenbergs, ist ein Arbeiterwohngebiet aus der Gründerzeit, das in seiner Struktur weitgehend erhalten ist und bereits Anfang der 90er denkmalgerecht saniert wurde. Umgeben von Bahnlinien, ist das inselartige Quartier nur durch Unterführungen erreichbar. Maßgeblich beteiligt am Bau der Victoriastadt war der 1821 in Berlin geborene Albrecht Constantin Türrschmidt. Er beschäftigte sich als Ziegelei-Besitzer intensiv mit der Verwendung von Zement im englischen Hausbau. Der von ihm entwickelte Schlackebeton bestand aus Portlandzement, Schlacke aus der Rummelsburger Gasanstalt und Ziegelbruch.
Die ersten Betonhäuser Deutschlands
Die dort ansässige Berliner Cementbau-AG errichtete auf der Grundlage der Vorarbeiten von Türrschmidt von 1872 -1875 die ersten Betonhäuser in Deutschland. Die Siedlung wird auch als erste in Beton errichtete Wohnsiedlung der Welt angesehen. Der Beton wurde vor Ort in Schalungen gegossen. Die Häuser waren standardisiert und in drei verschiedenen Typen errichtet.
Die überwiegend zweigeschossigen Häuser waren klein und schmucklos (Ausnahme Türrschmidtstrasse 17), die Mieten niedrig. Allerdings waren die Wohnungen nicht beliebt, da hellhörig, kaum wärmegedämmt und ohne sanitäre Anlagen im Haus (Hoftoiletten). Bald wurden einige Häuser wieder abgerissen.
Der Bauträger stellte 1875 in der Wirtschaftskrise seine Tätigkeit ein und für Jahrzehnte geriet der neue Werkstoff in Vergessenheit. Von den ehemals 70 Schlackebeton-Wohnhäusern sind heute noch fünf erhalten. Sie befinden sich u.a. in der Türrschmidtstraße 17, der Nöldnerstraße 19 sowie der Spittastraße 38A und 40 und sind alle auf der Denkmalliste Berlins zu finden.
Die nächste Folge führt uns in die Splanemann-Siedlung, der ersten industriell erbauten Wohnsiedlung Deutschlands von 1927.
Dieser Text wurde uns zur Verfügung gestellt vom Blog Berlin ab 50, einem Portal für die Generation der Best Ager – und alle anderen interessierten Leser und Schreiber.