Johannisthal - Bis Ende Februar 2016 informiert das Museum Lichtenberg mit der informativen Ausstellung "Stein | Schlacke| Beton - Neues Bauen in Lichtenberg" über die architektonische Entwicklung des Bezirks. Der Blog Berlin ab 50 erzählt die Geschichte des modernen Bauens in einer mehrteiligen Serie nach. diesmal geht es ins benachbarte Treptow.
In Johannisthal bei Berlin begann zwischen 1909 und 1914 die deutsche Motorfluggeschichte. Hier befand sich der erste deutsche Flughafen. Nach einem Pionier der Luftfahrt, der 1911 tödlich verunglückte, ist die Engelhardstrasse in der Nähe des Segelfliegerdamms benannt. In der Straße Nummer 11 und 13 fällt ein dreistöckiges Haus mit neoklassizistischer Fassade auf. Es ist der „Urahn“ der DDR-Platte, der 1953 als Experimentalbau errichtet wurde.
Doch von Anfang an: Erste Planungen zum industriellen Wohnungsbau begannen in der DDR schon 1953, also bereits ein Jahr vor Chruschtschows Rede auf der Moskauer Allunionskonferenz, in der er die Abkehr vom Baustil des sozialistischen Realismus Stalin‘scher Prägung und die Industrialisierung des Bauens forderte. Im sog. „Zuckerbäckerstil“, in dem auch die ehemalige Stalinallee im Friedrichshain entstand, wurde herkömmlich in „Stein-auf-Stein“ Ziegelbauweise gemauert. Durch die zum Teil ausufernde Ornamentik, meist im „nationalen Stil“, verselbstständigte sich die Fassade von der strukturellen Logik des Bauwerks.
Im kriegszerstörten Deutschland wurde die Einführung der industriellen Plattenbauweise, die international bereits u.a. in den USA, Frankreich und in den Niederlanden im Wohnungsbau Einzug gehalten hatte, aufgrund der Dringlichkeit der Lösung der Wohnungsfrage notwendig. In den 50er Jahren entstanden in Westdeutschland bereits erste Großsiedlungen. In der DDR wurden vor 1953 ca. 70 Pilotprojekte mit industriell vorgefertigten Bauteilen errichtet, so z.B. die unter Verwendung von Stahlbetonfertigteilen gebauten Hochhäuser „Haus des Kindes“ und „Haus Berlin“ am Straußberger Platz in Berlin.
Das wichtigste Beispiel für die Bemühungen der DDR-Architektur um eine Industrialisierung des Bauens bei gleichzeitiger Einhaltung der „nationalen Form“ ist allerdings der Experimentalbau in der Engelhardstrasse, den die Deutsche Bauakademie 1953 nach dem Entwurf eines Kollektivs um Richard Paulick (1903-1979, u.a. Architekt des Wiederaufbaus der Staatsoper) errichten ließ. Es war das erste Wohnhaus in Plattenbauweise der DDR. Allerdings wurde die Plattenbauweise durch Putz verborgen und auch die architektonisch-historisierende Ausschmückung (Schinkel!) versuchte alles, den Plattenbau vergessen zu machen. In miniaturisierter Form finden sich dann allerdings die „Platten“ symbolisch in den Reliefs wieder.
Die erste ausschließlich industriell errichtete Stadt in der DDR war Stalinstadt / Eisenhüttenstadt, die ab 1955 errichtet wurde und in der die architektonischen Formen im Vergleich zum Johannisthaler Versuchsbau deutlich nüchterner waren und sich zunehmend in eine städtebauliche Struktur einpassten, die einen industrialisierten Bauablauf erleichterten. Die erste zentrale Plattenbau-Serie „P1“ fußte auf den ersten Typisierungserfahrungen von Eisenhüttenstadt.
Die letzte Folge führt uns wieder nach Lichtenberg – zum Experimentalbau der Plattenbauserie „P2“.
Dieser Text wurde uns zur Verfügung gestellt vom Blog Berlin ab 50, einem Portal für die Generation der Best Ager – und alle anderen interessierten Leser und Schreiber.