Früher als Kind bin ich mit meiner Oma zum Gottesdienst in die Kirche gegangen. Da sie katholisch, aber exkommuniziert war, gingen wir manchmal in die evangelisch, manchmal auch in die katholische Kirche. Egal, es waren immer „heilige Hallen“, es wurde nicht gesprochen, wenn dann nur ehrfürchtig geflüstert, es war kalt und die Sitze hart. Später haben mich Kirchen fasziniert vor allem unter architektonischem und kunstgeschichtlichem, aber auch kirchenhistorischem Aspekt. Inzwischen schau ich gerne auch mal nach unter „Kultur in Kirchen“, ob es interessante Veranstaltungen gibt und ich möchte Sie mit auf eine kleine Reise durch drei Kirchen mitnehmen.
Letzte Woche war ich bei einer Vernissage in der Petruskirche in Lichterfelde. „… den Wald vor lauter Bäumen …“ ist der Titel der Ausstellung mit 70 Bilder des Berliner Aquarellisten Hans Gert Winter, die noch bis zum 12. Juli 2015 mittwochs und samstags von 10 bis 13 Uhr und vor und nach allen Kulturveranstaltungen zu sehen ist.
Lebensbejahende Atmosphäre
Es ist laut und fröhlich, interessierte Besucher wandern von Bild zu Bild, die an den Wänden der schlichten Kirche hängen. Die Atmosphäre ist gelöst, lebensbejahend und sehr „weltlich“. So ganz anders als in meiner Kindheitserinnerung. Hier in der Kirche am Oberhofer Platz in Berlin-Lichterfelde ist man seit über 30 Jahren mit kulturellen Konzepten aktiv. In der Zeit der Ölkrisen sah sich die Kirchengemeinde finanziellen Schwierigkeiten gegenüber; die große Kirche „nur“ für die Gottesdienste zu beheizen, war kaum möglich, man musste also den Raum rentabler nutzen.
Unter dem Motto „Rettet die Petruskirche“ wurde nach vielen Überlegungen schlussendlich die Kirche für die Kultur geöffnet und trug damit durch die wirtschaftliche Nutzung zum Unterhalt des Kirchengebäudes bei. Die Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg machte es vor. Heute organisiert das Akanthus Kulturmanagement Kulturveranstaltungen in der Heilig-Kreuz-Kirche und in der Passionskirche. Und der kunstbeflissenen Pfarrer der Petruskirche, Rolf Reisert, zog nach. Er ließ die Kirche für Ausstellungen, Lesungen und kulturelle Veranstaltungen umbauen.
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Selbst wer sich für experimentelle Musik interessiert, findet ein Angebot: „AbenteuerAvantgarde“ heißt eine Musikreihe in der Friedenskirche der kleinen Baptistengemeinde Charlottenburgs in der Bismarckstraße 40 im 2. Hinterhof. Auf dieses Angebot ist man zu Recht stolz, denn es gelingt mit zeitgenössischer und experimenteller Musik immer mehr Besucher anzulocken, auch weil der Raum eine besonders gute Akustik hat.
Im Moment kann man dort die wunderbaren Skulpturen aus Holz von Peter Birkholz bewundern, die noch bis 8. Juli zu sehen sind. Aus einem leblosen Stück Holz vom Olivenbaum, von einer Eiche oder einem Ahorn, vom Holz eines Essigbaum oder einer Edelkastanie wird unter den Händen des Künstlers Peter Birkholz daraus ein Torso, eine Maske, der Kopf eines Elefanten oder Königs. Die Form und die Maserung bestimmen das Ergebnis, das im Fokus des Betrachters lebendig wird und bei vielen seiner Objekte dazu einlädt, fast reflexartig, mit der Hand über das Holz zu streichen.
Kirchenkunst trifft Zeitgenössisches
Kaum habe ich den Raum betreten, überrascht mich ein ungewöhnliches, sehr buntes Wandbild in der Apsis: in der Mitte das Brandenburger Tor, durch das Christus, der Friedensfürst, auf einem Esel dem Kirchenbesucher entgegen von Ost- nach West-Berlin reitet. Noch gab es keine Ausstellung, in der die Bilder von diesem Kunstwerk „erschlagen“ worden seien, erzählt man mir. Im Gegenteil, es ergänze sich immer auf ganzbesondere Weise. So ganz bin ich nicht überzeugt, aber zumindest vergisst man diesen Kirchenraum nicht so schnell – die Friedenskirche, die Kirche mit dem bunten Wandbild.
Nächste Woche werde ich mir ein klassisches Konzert in der St. Johannis-Kirche anhören. Der amerikanische Oboist Demetrios Karamintzas will mit seiner neuen Konzertreihe Klassik in Moabit erstklassige Musiker in das ehemaliger Arbeiterviertel mit großem Anteil an Migranten bringen. In der Schinkelkirche, die von strenger Schönheit ist und eine vorzügliche Akustik besitzt, wird am 28. Juni um 18 Uhr das berühmte Oriel-Quartett auftreten mit Werken von Bach, Mozart, Telemann, Puccini und Britten.
Hier liegt das Gewicht vor allem auf der musikalischen Qualität, die die Kirche und Demetrios Karamintzas hier in Moabit den Zuhörern bieten will. Es verspricht ein musikalischer Hochgenuss zu werden.
Dieser Text wurde uns zur Verfügung gestellt vom Blog Berlin ab 50, einem Portal für die Generation der Best Ager – und alle anderen interessierten Leser und Schreiber.