Wenn man einen Rangsdorfer fragt, wo sich der legendäre Flughafen befindet, bekommt man meist nur einen vage Richtungsangabe. “Da kommen sie nicht mehr hin“, sagt eine junge Frau. “Das haben die alles dicht gemacht, die Gebäude sind stark beschädigt und einsturzgefährdet. Im Grunde sieht man den Flughafen nur noch von der Bahn aus.“ Etwas enttäuscht über diese Information überlege ich eine Weile und entscheide mich schließlich dazu, die Gleise der Regio-Strecke zwischen Berlin und Dresden zu suchen, um wenigstens einen kleinen Blick auf den Ort werfen zu können, an dem Stars wie Heinz Rühmann in den 30er Jahren das Fliegen lernten und ihre schmucken Bücker-Propellermaschinen parkten. Und siehe da, nach ein paar Wegbiegungen und Alleen sehe ich es, ganz weit entfernt, das alte Flughafengebäude. Die Felder liegen brach, die Gefahr von einem wütenden Bauern angeschossen zu werden, scheint mir gering. Ich nehme also meinen ganzen Mut zusammen und marschiere drauf los, an ein paar Schafen und brandenburgischen Waldkiefern vorbei, weiter, immer weiter, bis ich tatsächlich vor ihm stehe, dem Ort, an dem Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 ein Flugzeug Richtung Wolfsschanze betrat, um Reichskanzler Adolf Hitler zu ermorden.
Vom Sport- zum Militärareal
Der Flughafen Rangsdorf wurde anlässlich der Olympischen Spiele 1936 erbaut. Sportflieger aus aller Welt wurden in diesem Jahr in Berlin erwartet und sollten südlich von Berlin die Möglichkeit bekommen, sowohl vom Wasser des Rangsdorfer Sees als auch vom Land aus ihre Pirouetten zu drehen. Aber das war nur ein Vorwand. In Wahrheit verfolgten die Nationalsozialisten einen ganz anderen Plan. Nach den Spielen sollten hier Kampfpiloten der Deutschen Luftwaffe ausgebildet werden. Der Ingenieur und Flugzeugmechaniker Carl Clemens Bücker entwarf und konstruierte in einem Hangar in der Nähe des Hauptgebäudes seine legendären Bücker-Maschinen, die in den Kriegsplänen Hermann Görings eine wichtige Rolle spielten. Als Stauffenberg im Sommer 1944 zu seinem couragierten Vorhaben aufbrach, war der Flughafen längst ein wichtiger Militärstützpunkt der Wehrmacht und hatte sogar für eine kurze Zeit den Flughafen Tempelhof ersetzt.
Auf historischem Boden
Im Zaun klaffen riesige Löcher. Ein kleiner gebückter Schritt und ich befinde mich auf dem Gelände. Die alten Beton-Rollfelder, auf denen die Bücker-Flugzeuge gewartet wurden, liegen nun unmittelbar vor mir. Ich gehe auf ihnen spazieren und ein Schauer läuft über meinen Rücken. Genau hier muss Stauffenberg vor 70 Jahren zu seinem kühnen Vorhaben aufgebrochen und einige Stunden später wieder gelandet sein, nicht wissend, dass sein Plan durchkreuzt wurde. Was wäre wohl mit Deutschland geschehen, wenn er erfolgreich gewesen wäre? An diese Dinge muss ich denken, hier, zwischen Wiesen und Wäldern, in einem kleinen Ort in Brandenburg. Kurze Zeit später stehe ich vor dem Hauptgebäude. Die Fassade ist verwittert, der Putz kaum noch vorhanden. Ein paar undefinierbare Metallteile liegen herum. Ich überlege, wie es da drinnen wohl aussehen mag und spiele mit dem Gedanken, einen Zugang zu finden. Doch dann entscheide ich mich dagegen. Ich möchte ihn nicht stören, von Stauffenbergs Geist.