Görlitzer Park in Kreuzberg

Rauer Charme

Echte Kreuzberger brauchen keinen Schick: Eine Frau sonnt sich auf einer nicht so grünen Wiesen im Görlitzer Park.
Echte Kreuzberger brauchen keinen Schick: Eine Frau sonnt sich auf einer nicht so grünen Wiesen im Görlitzer Park.
Der Görlitzer Park widersetzt sich bisher wie das berühmte gallische Dorf der Gentrifizierung, die auch Kreuzberg 36 zunehmend ergreift. Schon immer war die nicht überall grüne Anlage ein wenig anders. Und wird dafür im Kiez von manchen geliebt, von anderen gemieden.

Die Angst vor der Aufwertung und Verteuerung seiner Kieze verunsichert Kreuzberg. Bisher konnte sich zumindest der Görlitzer Park vor neureichen Zugezogenen und trendigen Hipstern verstecken. Doch bald werden mit großen Sonnenbrillen ausgestattete Pärchen aus der Kreativ-Szene und ihre in Lacoste gekleideten Sprösslinge die Grünfläche für sich entdecken – das befürchten zumindest einheimische Schwarzmaler.

Bis jetzt deutet allerdings noch nichts auf diesen Eroberungsfeldzug hin. Der Görli ist das vernachlässigte Stiefkind unter den öffentlichen Parkanlagen in Berlin. Zwischen Landwehrkanal und Spreewaldplatz schlummert er schmuddelig, abgetreten und unansehnlich vor sich hin.

Treue Liebhaber

Was die einen abschreckt, zieht die anderen an. In den Zeilen „Ick wohn ja nu Görli, Görli, Alta, det machta fix un ferti.“ hat PR Kantate den Charme des Parks 2003 auf den Punkt gebracht. Ganz Kreuzberg sang mit und brachte der erst 10 Jahre jungen Grünanlage damit ein Geburtstagsständchen.

Die Zukunft des Geländes am 1975 abgerissenen, ehemals prächtigen Görlitzer Bahnhof war vor der Einrichtung des Parks lange unklar. Nachdem die Pläne, eine Autobahntrasse über die Fläche zu führen, wegen der Teilung verworfen wurden, das Gelände zu einer Müllkippe verkam und der unterquerende Fußgängertunnel wegen seines Gestanks den Spitznamen „Harnröhre“ erhielt, setzte sich ab den späten 70er Jahren eine Bürgerinitiative für die Einrichtung einer Grünanlage ein.

„Görlitzer Park – aber flott!“ lautete die Forderung der Gruppe um Irmgard Klette. Ein Kinderbauernhof sorgte  für eine erste Belebung des Geländes, das schließlich der Reichsbahn abgekauft und ganz allmählich zum Park umgewandelt wurde.

Ende der 80er richtete die Mutoid Waste Company dort einen Spielplatz für Erwachsene ein, auf dem rund um die Uhr mit Kettensäge und Schweißgerät an Autowracks gewerkelt werden durfe. Im nächtlichen Fackelschein mutete die Szenerie an wie in den „Mad Max“-Filmen.

Zerfallene Träume

1997 beginnt die kurze Geschichte des Pamukkale-Brunnens. In diesem Jahr wurde die als Mittelpunkt des Görlitzer Parks geplante Anlage als Hommage an die türkischstämmigen Kreuzberger Nachbarn eingeweiht. Im darauffolgenden Winter begann der verwendete Kalkstein sich bereits in seine Bestandteile aufzulösen. Der Brunnen wurde zehn Jahre abgesperrt und schließlich abgerissen.

Heute bietet der vergessene Görli verschiedensten Großstädtern eine Heimat. Drogenhändler fühlen sich hier ebenso wohl wie der Frisbee-Künstler Alberto, der hier täglich seine Kunststücke weitergibt, oder grillende türkische Großfamilien. Doch auch mit einem Buch ausgestattete oder mit Freunden durch Kreuzberg schlendernde Anwohner kommen gerne in den Park. Vom „Adel vom Görli“, einer an der Liegnitzer Straße lagernden Trinker-Gruppe, werden bekannte Gesichter lautstark begrüßt.

Den Kinderbauernhof gibt es noch immer. Hier können auch mittellose Familien ihrem Nachwuchs etwas Abwechslung verschaffen. Obwohl er beileibe nicht mit einem satten Grün aufwarten kann, schlagen Crossgolfer im Görlitzer Park ihre Bälle durch die Luft. Im Winter fliegen die Schneebälle der Neuköllner Kids durch die leere Anlage.

Eine Augenweide ist er nicht, der Görli. Doch in seinem kauzigen Charme können vor allem Kreuzberger Urgesteine noch einen Hauch des alten Kreuzberg 36 ausmachen.


Quelle: Der Tagesspiegel

Kinderbauernhof auf dem Görlitzer, Wiener Straße 59B, 10999 Berlin

Telefon 030 6117424
Fax 030 6117424

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Samstag und Sonntag: 11:00 bis 18:00 Uhr
Winter:
Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag: 10 bis 17 Uhr
Samstag und Sonntag: 11 bis 17 Uhr

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