Bei „Nadia und Kosta“ in der Türrschmidtstraße sitzt die Nachbarschaft in Liegestühlen, nur die Baustelle nebenan stört ein wenig die Aussicht. Drinnen bedient Kosta. Der Kiez sei wie ein Dorf, sagt er. „Man kennt sich, sieht die Kinder hier groß werden“. Nur am Wochenende grüße ihn kaum jemand, denn da seien viele Fremde in seinem Café. Aus dem benachbarten Hostel kämen die Gäste oder aus anderen Kiezen.
Früher lebten hier viele alte Menschen und alteingesessene Ostberliner. Jetzt ziehen viele junge Familien hierher – viele Akademiker, sagt die Buchhändlerin Kerstin Kaernbach, die von Beruf Geigerin ist. Den Buchladen „Paul und Paula“ betreibe sie nebenbei mit drei anderen Frauen. Dies sei schon immer ein Buchladen gewesen – seit 1930 und zu DDR-Zeiten. Bis vor Kurzem verkaufte der Vorbesitzer Herr Noa hier vor allem christliche Literatur.
Was kann an einer Videothek so spannend sein?
„Sie müssen unbedingt in die Videothek“, sagt sie zum Abschied. Warum nur, was kann an einer Videothek so spannend sein? Schnell wird klar: „Madeleine und der Seemann“ ist nicht einfach nur eine Videothek, nein, hier gibt es Softeis, Second-Hand-Kleidung und wöchentliche Filmvorführungen. Im Laden erzählt der Besitzer Oliver Kubisch, im Kiez wohne ein Philosoph, der habe drei Bücher geschrieben, eines hieße „Küchenphilosophie“, darin seien philosophische Gespräche und Kochrezepte gesammelt. Die Bücher könne man hier wie DVDs leihen.
„Der Friedrichshain schwappt rüber“
Heute erlebt der Kiez wieder einen rasanten Wandel. „Der Friedrichhain schwappt rüber“, sagt die Blumenhändlerin am Tuchollaplatz. Im populären Szeneviertel gibt es immer weniger bezahlbare Wohnungen und immer mehr Lärm. Das führt dazu, dass nun auch hier im Kaskelkiez die Mieten steigen. So bekam die Blumenhändlerin von ihrem Ex-Vermieter eine Mieterhöhung um 100 Prozent aufgedrückt. Sie ließ sich nicht entmutigen und zog auf die andere Seite des Platzes, wo sie jetzt mehr Kunden hat.
Was aber hier fehle, sei die Laufkundschaft, sagen alle Gewerbetreibenden einhellig. Das liege vor allem an der eingeschlossenen Lage des Kiezes, deswegen verirre sich kaum jemand hierher, obwohl er in nächster Nachbarschaft zur Boxhagener Straße, der Rummelsburger Bucht und der Frankfurter Allee liegt. Der Kiez ist nicht nur von den S-Bahnschienen umgeben, viele Straßen wurden auch für den Autoverkehr gesperrt.
Wer den abgeschlossenen Kiez für sich entdecken will, kann jeden Freitag zum Markt auf dem Tuchollaplatz kommen oder auch am Samstag, den 13. September das Kiezfest „Victoria! Feiert!“ von 14:00 bis 22:00 Uhr besuchen.