Der Nollendorfplatz in Schöneberg ist nichts für empfindliche Gemüter. Über leere Bierflaschen muss der Fußgänger zwar nicht stolpern, die werden nämlich schnell eingesammelt und im Supermarkt gegen Nachschub eingetauscht. Aber Bierdeckel und Pappbecher liegen stets im Weg. Denen, die den Platz zu ihrem Lebensmittelpunkt erkoren haben, scheint dies nichts auszumachen.
Dabei ist der Nollendorfplatz ein höchst quirliger Stadtraum, frequentiert von zahllosen Passanten, denen der U-Bahnhof als Ausgangs- oder Umsteigestation dient, flankiert von zwei Bushaltestellen. Zum Angebot gehören ferner ein rund um die Uhr geöffneter Supermarkt und mehrere Imbissstände, sowie ein großes Autozubehörgeschäft. Und und und.
Tausende Autos überqueren täglich den Platz, meist über den Straßenzug Kleist-Bülowstraße, eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen. Ach ja: Gewohnt wird auch am Platz. Und da beginnen die Probleme, vielmehr: Da kommen sie zum Ausdruck. Denn Anwohner haben einen meist anderen Blick auf den öffentlichen Raum als dessen Nutzer. Anwohner leiden unter Krach, Dreck, fehlender Sicherheit. Sie können all dem nicht entfliehen und es ebenso wenig verändern. Und rings um den Nollendorfplatz hat sich viel Unmut aufgestaut.
Immer was los
Das hat mit der Veränderung des Quartiers zu tun – dem auf der Südseite, der „Schöneberger Seite“. Denn der Nollendorfplatz ist nicht der Mittelpunkt eines Quartiers, sondern die Klammer zwischen zwei gänzlich anderen Gegenden. Nach Süden hin bildet der Platz das Tor zum Motzstraßen- und Winterfeldtkiez. Samstags, wenn der legendäre Markt auf dem Winterfeldtplatz abgehalten wird, strömen Besucher zu Aberhunderten die Maaßenstraße hinunter, entlang an etlichen Cafés, Restaurants, Kneipen. Die Motzstraße hingegen, seitlich vom Platz abzweigend, erwacht spätabends zum Treffpunkt der schwul-lesbischen Szene.
Anders formuliert: Im Süden des Nollendorfplatzes ist eine Ausgeh-Gegend entstanden, mit allen Begleiterscheinungen, von zugeparkten Gehwegen und Einfahrten über lärmende Kneipenbesucher bis hin zu Motorengeheul bei nächtlichem Imponiergehabe. Über die Verursacher solchen Lärms und ihre Treffpunkte sind gegenteilige Gerüchte in Umlauf, denen eines gemeinsam ist, und zwar auf die Schwierigkeit von Integration im Alltag hinzudeuten.
Der Nollendorfplatz hat damit zu leben, dass in seiner Mitte ein Hochbahnhof plus Bahnhofsgebäude steht, ein baulicher Mittelpunkt also, aber zugleich ein scharfer Trennstrich zwischen Nord- und Südhälfte. Vor Harmonie strotzen wird der Platz nie; er ist als Ganzes schon nicht auszumachen. Dann ist da das Problem der mehrspurigen Ost-West-Durchgangsstraße, die ihrer Bedeutung halber wenn überhaupt ein wenig gezähmt, nicht jedoch gänzlich beruhigt werden könnte.
Es gibt drängendere Probleme
Doch was ist mit den Menschen, Flaneuren und auch den Gestrandeten? Darin liegt doch gerade die Urbanität des Nollendorfplatzes: dass er weder Schmuck- noch Abstellplatz ist, sondern geradezu ein Beispiel öffentlichen Raums, in dem die unterschiedlichsten sozialen Schichten aufeinandertreffen und sich dabei nicht sonderlich ins Gehege kommen. Sicher, verweilen will kaum einer auf diesem Platz. Und darüber zu lamentieren, dass es Menschen gibt, deren Leben überwiegend auf Plätzen weniger stattfindet als verrinnt, ist müßig. Nur müssen sie deshalb im öffentlichen Raum nicht die Oberhand haben.
Dass die Schmuddelecken und Drogenhandelsnischen beseitigt oder zumindest schärfer kontrolliert werden könnten, dass das – ohnehin subjektive – Gefühl persönlicher Unsicherheit oder gar Gefährdung durch wirksame Maßnahmen bekämpft werden muss, darüber besteht Einigkeit zumindest unter den Anwohnern. Bleibt das Bezirksamt von Tempelhof-Schöneberg, das für den Nollendorfplatz derzeit keine großen Pläne hegt. Es gibt, so die Auffassung, drängendere Problemplätze in Berlin als diesen. Er funktioniert irgendwie.
Liebe Leserinnen, liebe Leser: Jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich einzumischen, mit den Planern, mit Bezirksstadträten und anderen Anwohnern über die Gestaltung Ihres Platzes zu diskutieren. Denn zu jeder Folge gibt es einen Ortstermin direkt am Platz. Sagen Sie uns Ihre Meinung. Wir laden Sie ein, am Freitag, 8. Juni, über diese Konzepte zu diskutieren. Mit dabei sein werden Sibyll Klotz, Stadträtin für Gesundheit, Soziales und Stadtentwicklung in Tempelhof-Schöneberg, Martina Schneider (Verein „Pink Schöneberg“), Hubert Pelz (Initiative „Lärmfreier Nolle“) und Florian Mausbach (ehem. Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung).
Ort: Veranstaltungshaus Goya, Nollendorfplatz 5. Die Veranstaltung beginnt um 16.30 Uhr mit einem kurzen Beamervortrag der Planer, anschließend Diskussion über die Ideen. Ende: 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.