Eine historische Fachwerkvilla irgendwo in Niederschönhausen. Während draußen ein grauer Winterhimmel über dem sogenannten „Städtchen“ – einem vor der Wende DDR-Funktionären vorbehaltenen Wohngebiet – hängt, machen wir es uns gemeinsam mit dem sympathischen Stephan Grossmann im holzvertäfelten, von Kerzen beleuchteten Gastraum des Gasthauses Majakowski gemütlich. „Ich wünschte, hier im Kiez gäbe es mehr Orte wie das Majakowski“, so Grossmann. „Zum Ausgehen macht man sich dann doch meistens auf den Weg nach Kreuzberg, Mitte oder Prenzl‘ Berg“, berichtet der Schauspieler, der bereits seit rund zehn Jahren in Niederschönhausen beheimatet ist. Zu den wenigen Adressen, die Grossmann, der sich nach Möglichkeit ohnehin lieber „ziellos durch die Stadt treiben lässt“, uns empfehlen kann, gehören das bei Familien beliebte Café Rosenrot in der Ossietzkystraße oder das Schloss Schönhausen.
Die Liebe zum Theater
Geboren und aufgewachsen ist der heute 42-jährige Schauspieler in Moritzburg bei Dresden. Ganz idyllisch, umgeben vom „geschichtsträchtigen Schloss Moritzburg, Glockengeläut, Pferden, Wasser und der Schmalspurbahn“ verlebte er hier eine behütete Kindheit. Früh weckten seine Eltern in dem Jungen die Liebe zum Theater. „Sie haben es genau richtig gemacht und mich durch gelegentliche Ausflüge ins Theater oder in die Semperoper in Dresden eigentlich nur angestupst“, erinnert sich Grossmann. „Schließlich kam es soweit das ich mit 16, 17 Jahren lieber allein ins Theater ging als mit Freunden abzuhängen. Dort fühlte ich mich geborgen und die ganze Atmosphäre, die Menschen und Geheimnisse faszinierten mich sehr.“ Irgendwo auf diesem Weg wurde in Grossmann auch der Wunsch geweckt, selbst in andere Personen zu schlüpfen und Schauspieler zu werden. „Etwas anderes kam und kommt für mich gar nicht mehr infrage“, betont der hochgewachsene Mann mit den stahlblauen Augen.
Grossmann hatte Glück und ergatterte 1990 einen der begehrten Plätze an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. „Drei Jahre habe ich mich auf nichts anderes konzentriert als auf mein Studium – total langweilig eigentlich“, schmunzelt der Schauspieler. Sogar die Wendezeit zog fast unbemerkt an ihm vorbei: „Unsere Schule stand im ehemaligen Grenzstreifen und eines Tages bemerkte ich eher beiläufig, dass der Wachturm verschwunden war und ich blöderweise keine Fotos gemacht hatte“, erzählt er.
Die Veränderungen in der Hauptstadt selbst wurden dem Schauspieler schließlich ziemlich unvermittelt vor Augen geführt: Seit seinem ersten Engagement am Berliner Ensemble Anfang der 90er Jahre besaß Grossmann eine kleine Mietwohnung am Hackeschen Markt. „Ich lebte dort viele Monate ’schwarz‘, ohne Mietvertrag oder ähnliches. Von Engagements in anderen Städten kehrte ich immer in diese Wohnung zurück, alle meine Habseligkeiten lagerten dort“, erinnert sich der 42-Jährige. „Doch eines Tages drehte sich der Schlüssel einfach nicht mehr im Schloss. Das Haus war verkauft und alle meine Sachen auf die Straße gestellt worden – plötzlich hatte ich keinen Koffer mehr in Berlin“, erzählt Grossmann. Erst 1997 kehrte er nach Berlin zurück – diesmal ganz offiziell in die Veteranenstraße in Mitte.
Die Anbindung an die Ostsee, das liebste Ausflugsziel des weitgereisten Schauspielers, zählt für Grossmann zu einem der weiteren großen Pluspunkten seines Heimatkiezes: „Ich muss nicht erst den Weg durch die ganze Stadt hinter mich bringen, sondern bin ruck zuck oben.“ Eine Sache allerdings gibt es, die Stephan Grossmann an seinem Viertel wirklich stört. „Dass immer noch ein Flughafen mitten in der Stadt betrieben wird, finde ich skandalös. Natürlich ist der Weg zum nächsten Flieger dementsprechend kurz – doch was man an Ruhe und Sicherheit aufgeben muss, kann dadurch nicht wieder gut gemacht werden“, so Grossmann, der sich auch schon mit seiner Unterschrift für eine baldige Schließung des Flughafens Tegel stark gemacht hat. „Wenn die Flugzeuge weg wären, könnte man Niederschönhausen als perfekten Kiez bezeichnen“, betont er.