Ein Teddybär mit traurigen Knopfaugen blickt auf den Boden, eine kleine Puppe starrt ins Nichts. Wir befinden uns im Themenraum „Wege in den Westen“ der „Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde“. Spätestens hier wird klar, worum es den Kuratoren der Dauerausstellung „Flucht im geteilten Deutschland“ geht. Es sind die individuellen Schicksale und Geschichten derjenigen, die den Mut hatten, der DDR den Rücken zu kehren und eine neue Existenz jenseits der Mauer aufzubauen. Dabei verließen diese Menschen nicht nur ihre Heimat, sondern gaben nahezu ihren gesamten Besitz auf. Erwachsene trugen häufig nicht mehr als ein paar Kleidungsstücke bei sich, Kinder wählten als Begleiter meist ein Kuscheltier.
Exemplarisch für die verschiedenen Formen der Flucht in die BRD sind in diesem Raum drei Gepäckstücke ausgestellt, in denen die Menschen das Nötigste mitnahmen: ein kleiner Koffer, eine Handtasche und ein Pappkarton. Schon in den 50er Jahren, nachdem die DDR die innerdeutsche Grenze geschlossen hatte, wurde der Weg in den Westen ein schwieriges Unterfangen. Er führte fast ausschließlich über die Sektorengrenzen Berlins, die nach wie vor passierbar waren. Möglichst unauffällig sollte die Flucht sein, weshalb sich die meisten als Besucher ausgaben und nicht mehr als ein Handköfferchen bei sich trugen.
Nach dem Bau der Mauer war auch dieser Weg verschlossen und die Ausreise aus der DDR nur noch durch eine „Republikflucht“ oder einen Antrag möglich. Frau Gleismann, die Besitzerin der ausgestellten Handtasche, floh 1989 über Ungarn in die BRD. Sie hatte bloß ein Bündel Geldscheine und einige persönliche Unterlagen dabei. Der Karton steht für den ‚offiziellen‘ Weg in den Westen, den Ausreiseantrag. Falls dieser bewilligt wurde, litten die Menschen bis zum Verlassen der DDR jedoch unter drastischen Konsequenzen. Sie wurden ins soziale Abseits gedrängt, diffamiert und bespitzelt.
Angekommen im Westen
Die Ausstellung beschäftigt sich des Weiteren mit dem bürokratischen Weg, den die Menschen nach einer geglückten Flucht zu gehen hatten. Einmal in Marienfelde angekommen, durchliefen sie ein zwölf Stationen umfassendes Verfahren, in dem sie unter anderem medizinisch untersucht und zur politischen wie wirtschaftlichen Situation in der DDR und im Ostblock ausgefragt wurden. Im Themenraum „Das Notaufnahmeverfahren“ symbolisieren zwölf Türen dieses Mammutprogramm. Hinter jeder befinden sich kleine Schautafeln mit Original-Dokumenten des jeweiligen Arbeitsgangs. Vier Tage dauerte das Verfahren durchschnittlich, danach wurden die meisten Flüchtlinge einem Bundesland zugewiesen und ausgeflogen. In einem Schaukasten liegen außerdem einige Utensilien, mit denen die Menschen im Auffanglager Marienfelde notdürftig versorgt wurden: Zahnbürsten, leichte Kleidung, Essensmarken und Rasierapparate.
„Flucht im geteilten Deutschland“ beleuchtet ebenfalls das Schicksal jener Menschen, für die der Traum vom „Goldenen Westen“ zu einem Trugbild wurde. Sie litten unter anderem unter Entfremdung, Einsamkeit und Arbeitslosigkeit. Ein Teil von ihnen fasste sogar den Entschluss, in die DDR zurückzukehren. Gerade unter den Jugendlichen, die häufig ohne ihre Eltern flüchteten, war die Zahl der Heimkehrer besonders hoch.
Den Abschluss des Rundgangs durch die Erinnerungsstätte bilden drei Zimmer, die den Unterkünften im Notaufnahmelager in den 50er Jahren nachempfunden sind und mit Originalstücken eingerichtet wurden. Sie bestehen aus zwei bis drei Stahlrohr-Hochbetten, einem kleinen Holztisch mit Stühlen und einem Kleiderschrank. Ursprünglich waren für jede Person 4 Quadratmeter Raum angedacht, aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen, speziell vor dem Mauerbau, waren die Wohnungen jedoch häufig überbelegt.