Wo Wartende sonst nur auf großformatige Werbeposter blicken, hängen in der U-Bahnstation Siemensdamm seit dem letztem Jahr Plakate mit Kunst. Und während die Anzeigetafel am Bahngleis die verbleibenden Minuten bis zum Einfahren der Bahn verkündet, fragt sich der ein oder andere vielleicht, zu welchem Zweck die künstlerischen Werke gerade an diesem Ort angebracht worden sind.
Die Antwort: Hier handelt es sich um ein spezielles Projekt für den Berliner Untergrund. Mit Unterstützung der Berliner Senatskanzlei und der Berliner Verkehrsgesellschaft hat es die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst zum wiederholten Mal ins Leben gerufen. Der international offene Kunstwettbewerb hat die künstlerische Gestaltung von U-Bahnstationen in Berlin zum Ziel und steht in diesem Jahr unter dem Motto „Nach der Arbeit“. Hinter den Gleisen der U-Bahnstationen hängen nun also bis auf Weiteres die besten Werke des Wettbewerbes aus.
Idee aus den Fünfzigern
In Anlehnung an die Anfänge des künstlerischen Plakatwettbewerbs – der den U-Bahnhof Alexanderplatz ab den 1950er Jahren durch Plakatgestaltungen in einen Ausstellungsraum verwandelte – werden schlecht verkäufliche Werbeflächen in den U-Bahnhöfen von der Wall AG (die diese Flächen vermarktet) für Künstler reserviert. Fotos und Bilder des Wettbewerbs sollen dabei im Bezug zum jeweiligen Ort stehen. Das Projekt erfuhr diesmal eine überwältigende Resonanz auf die Ausschreibung: 380 Künstlerinnen und Künstler beteiligten sich – mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Eine Jury wählte aus den Einreichungen aus dem In- und Ausland 13 Entwürfe aus. Zehn Berliner U-Bahnhöfe werden mit ihnen geschmückt. Darunter: Die U-Bahnhöfe Bernauer Straße, Schönleinstraße, Schillingstraße und Hansaplatz. Zwei Entwürfe kann man sogar auf mehreren Stationen begutachten.
Zurück zum Siemensdamm: Künstlerin Alexandra Spiegel verkürzt hier mit ihren Balkonportraits das Warten auf die U-Bahn. Laut der Künstlerin stellen die Fotografien den Balkon als Lebensraum für den Menschen vor – eben Erholung „nach der Arbeit“. Die Typologien der Balkone der Ringsiedlung in der Siemensstadt sollen laut der Künstlerin vor allem architektonisch irritieren: Ein Außenraummotiv wird im Innenraum einer U-Bahn angebracht. So meint der Betrachter also, er blicke durch ein Fenster auf die Siedlung.
Laut Benita Piechaczek – einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst – ist auch für 2014 ein Wettbewerb geplant. Leider steht noch kein Termin fest. Das steigert allerdings die Spannung auf neue Werke, durch die man gerne auch mal ein bis zwei Minuten länger auf die Bahn wartet. Und das Beste daran: Die Ausstellung kostet den Betrachter keinen Cent!