Wir treffen Antje Hain im Schwarzen Café nicht weit vom Savignyplatz. Gut gelaunt und voller Elan hält sie schon ihr Fotokunstbuch bereit. Zurzeit ist sie auf der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort für die Werke aus dem Buch. Dass Berlin dafür ein möglicher Anlaufpunkt sein könnte, zumindest aber eine wichtige Zwischenstation darstellt, ist für die gebürtige Münchenerin selbstverständlich. „Ich bin mit Berlin sehr verbunden. Zum einen durch meine Zeit als Theaterfotografin an der Volksbühne. Zum anderen weil mein Bruder hier lebt und ich ihn häufig besuche“, erklärt Hain.
Man merkt der gelernten Beauty- und Modefotografin, die in der Vergangenheit für fast alle großen Frauenzeitschriften in Deutschland (u.a. für „Brigitte“) arbeitete, die emotionale Bindung zur Hauptstadt an. Immer wieder kommt sie auf ihren Job an der damaligen Ostberliner Volksbühne (1974 – 1980) zu sprechen – auf den Einfluss von Intendant Benno Besson (seinerzeit Assistent Bertolt Brechts) und des Mikrokosmos Theater auf ihr eigenes künstlerisches Schaffen: „Es hört sich so simpel an, wenn ich sage, dass ich damals in die DDR gegangen bin, aber das war es überhaupt nicht. Es war für mich ein großes Privileg. Mir hat sich damals durch das Theater und die internationalen Künstler, die Besson um sich scharte, eine ganz neue Welt eröffnet.“ Aufgrund der Zeit in Berlin habe sich bei ihr eine sehr theatralische Fantasie entwickelt, die bis heute in ihren Fotografien wiederzuerkennen sei, so Hain.
Ein riesiger Lappen und viel nackte Haut
Und tatsächlich: In ihrer Fotokunst hebt sie die zentrale Ästhetik von Körpern und Natur durch geschickte Inszenierungen hervor. Ein riesiger bemalter Lappen aus feinster Gaze (20 x 10 Meter!), der im Theater den Hintergrund einer Bühne illustrierte, zeigt tanzend bei Licht, Schatten und Wind sein unerschöpfliches Spiel. So ergeben sich inmitten von wilden Naturlandschaften ein wolkenverhangener Himmel in einem dunklen Märchenwald, ein Rodelberg auf der Alm oder ein tosendes Meer, es vereint sich Realität und Virtualität. Fast wirken die Fotografien dabei wie gemalt. Bei jeder erneuten Betrachtung entdeckt man neue Details, wie der Lappen sein ganz eigenes Spiel mit seiner Umgebung zu treiben scheint.
Nicht nur die Landschafts- und Lappenbilder ergreifen den Beobachter in ihrer Theatralik. Besonders die von Hain fotografierten Frauen – allesamt Laienmodelle – vermitteln in ihrer Nacktheit eine sinnliche Präsenz. Oft ist es jedoch erst auf den zweiten Blick, dass Unschuld und Zartheit, aber auch Darstellungen von erlittener und gelebter Gewalt vor der offensichtlichen Erotik zur Geltung kommen. „Ich habe diese Schönheiten mit ihren ahnenden Gesichtern oder prallen Brüsten bewusst den Blicken des Betrachters ausgesetzt. Denn das Verbergen fördert Angst, die Präsenz ermöglicht Kraft“, erzählt Antje Hain. So warten wir also gespannt auf ihre nächste Ausstellung, in der uns Sinnlichkeit und Ästhetik auf eine theatralisch schöne Weise begegnen, wie sie im Alltag unserer Konsumgesellschaft eher selten vorkommt.
Das Fotokunstbuch „Antje Hain“ ist 2015 im Damm und Lindlar Verlag erschienen und kostet 30 Euro. Hains Werke wurden bislang in rund 20 Ausstellungen an unterschiedlichen Orten in Deutschland sowie in Shanghai gezeigt.