Hans-Böckler-Schule hilft Jugendlichen

Kreativ zum Abschluss

Dieser metallene Ziegenbock ist eines der Werke, die Schüler aus schwierigen Verhältnissen im Rahmen des Böcke-Projektes geschaffen haben.
Dieser metallene Ziegenbock ist eines der Werke, die Schüler aus schwierigen Verhältnissen im Rahmen des Böcke-Projektes geschaffen haben.
Mit einem ganz speziellen Kunst- und Metallbau-Projekt werden Schüler aus problematischen Verhältnissen an der Hans-Böckler-Berufsschule zum Abschluss animiert.

Stolz präsentiert Jonas im Rahmen der Ausstellung „Bock und Pan“ sein Metall-Skelett. Das Werk des Zwanzigjährigen besticht mit filigran gearbeiteten freiliegenden Rippenknochen und klaffenden Augenhöhlen. Es ist zusammen mit den anderen Skulpturen der Absolventen der Hans-Böckler-Schule in der Senatsschulverwaltung in Mitte zu sehen. Ein Jahr haben die jungen Künstler im Rahmen des Berufsqualifizierenden Lehrgangs (BQL) am Kreuzberger Oberstufenzentrum für Konstruktionsbautechnik an ihren Metallskulpturen gearbeitet.

Nun belegen die eindrucksvollen Werke, dass auch diese Jugendlichen, die nach 18 Schuljahren noch keinen Abschluss erlangt haben, zu beruflichen Tätigkeiten fähig sind. Für die jungen Erwachsenen stellte der Lehrgang die letzte Möglichkeit dar, doch noch eine Ausbildungsstelle zu erhalten. Auch Jonas hat die Gelegenheit ergriffen und konnte in diesem Jahr seinen erweiterten Hauptschulabschluss ablegen. Von den 1600 Teilnehmern im Schuljahr 2010/11 gelang das nur etwa der Hälfte der Schüler. Im vergangenen Schuljahr konnte der BQL mit 2000 Teilnehmern zwar einen starken Zuwachs verzeichnen, wie viele von ihnen einen Abschluss erlangen konnten, ist aber noch offen.

Innovatives Böcke-Projekt

Die Hans-Böckler-Schule leistet in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag: „Das Böcke-Projekt ist ein Ansatz, um die Abbrecher-Quote der Lehrgänge zu senken. Es hat die Erfolgsquote entschieden erhöht“, so Lehrerin Ursula von Otten. Sie berichtet von der „Schuldistanz“ und den „schwierigen sozialen Verhältnissen“ ihrer Schüler. Wie der aus dem Irak stammende Jonas haben die meisten von ihnen einen Migrationshintergrund.

Vor vier Jahren wurde das Weiterbildungs-Projekt an der Hans-Böckler-Schule entwickelt. „Es ging darum, Ursachen und Hintergründe von Schulverweigerung zu ergründen“, so von Otten.

Der Name „Böcke-Projekt“ ist dabei Programm: Es spielt nicht nur auf den Namen des Politikers Hans Böckler, sondern auch auf eine zu verhindernde „Null Bock“-Einstellung der Schüler an. Lehrinhalte zur Biologie aller möglichen „Böcke“ und zur antiken Mythologie fließen in den Unterricht ein. Sogar die griechische Partnerschule fügt sich damit perfekt in das Projekt ein. Immer wieder kommt es zum Schüleraustausch und auch zur Ausstellungseröffnung in der Senatsschulverwaltung sind griechische Jugendliche mit eigenen Beiträgen angereist.

Im Zentrum der Arbeit des Kreuzberger Oberstufenzentrums steht jedoch der Metallbau. 14 Stunden wöchentlich stehen auf dem Stundenplan. Von den zehn Klassen eines Jahrgangs sind vier ins Böcke-Projekt integriert. „In den Klassen im Projekt hat es weniger Abbrüche gegeben – und sowohl mehr Abschlüsse insgesamt als auch mehr erweiterte Hauptschulabschlüsse“, berichtet von Otten.

Mut zur freien Gestaltung

Der kreative Auftrag erscheint vielen Schülern anfangs gewöhnungsbedürftig. „Wir dachten zuerst, dass wir das nicht hinkriegen. Und ich habe keinen Sinn in diesem Böcke-Projekt gesehen und gedacht, dass das Zeitverschwendung ist“, berichtet der 19jährige Emre, der in einem Gemeinschaftsprojekt eine Gitarre mit gehörntem Kopf und mächtigen Armen geschaffen hat.

Menderes, 18 Jahre, scheint die Eindrücke zu teilen: „Ich war ziemlich skeptisch, als es hieß, wir sollten selbst etwas gestalten und kreativ werden.“ Ihm war der Abschluss wichtig, daher setzte er alle Hoffnungen in die Hans-Böckler-Schule. Mit Erfolg: „Dieses Jahr habe ich mich sehr motivieren lassen. Ich war doppelt so gut wie vorher.“ Im Rahmen des Projektes hat er mit einem Freund einen Teufel geschaffen. „Ein Ziegenbock sieht doch ein bisschen aus wie ein Teufel – mit dem Bart, den Hörnern und Hufen.“

Vom Fertigen technischer Zeichnungen bis zum Schweißen lernen die Schüler des Böcke-Projektes eine ganze Menge. „Ich habe gemerkt, dass ich ganz viel Neues lerne. Und dass ich was kann“, berichtet Emre. Nach dem Sommer möchte er an der Hans-Böckler-Schule eine Ausbildung zum Metallbauer beginnen.

Die Ausstellung „Bock und Pan“ ist noch bis Ende August in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zu sehen.


Quelle: Der Tagesspiegel

Hans-Böckler-Schule, Lobeckstraße 76, 10969 Berlin

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