17 Uhr, Kaffeezeit. Wir sind auf dem Weg ins Café Kuchenrausch, um Tante Inge zu treffen. Klingt nach langweiligem Klatsch mit alter Dame? Ganz und gar nicht. Tante Inge ist kurz gesagt die Idee, junge und alte Menschen im Alltag zusammenzubringen. Weil nicht jeder Ü70er gerne mit anderen Alten Bingo spielt und strickt, weil Senioren die Sahnetorte vom wöchentlichen Kaffeekränzchen im Altersheim vielleicht schon aus den Ohren raushängt und der Austausch zwischen den Generationen beiden Seiten etwas bringt.
Auch ein Lippenbekenntnis ist viel wert
Diese Onlinepräsenzen sind nur einer der Kanäle, auf denen Tante Inge aktiv ist. Hier erzählt sie von Aktionen, wirbt um Enkel und den Aufbau von Tandems. Enkel sein, das ist eigentlich ein Lippenbekenntnis von Leuten, die das junge Projekt in die Welt tragen wollen. Und überhaupt: Kerstin, Anne und ihre ehrenamtlichen Kolleginnen möchten das Engagement niederschwellig halten, zwanglos und unkompliziert. Es geht nicht darum, sich zu verpflichten. „Unsere Zielgruppe sind die 20- bis 40-jährigen, die viel zu tun haben. Da passen viele ehrenamtliche Angebote nicht in den Zeitplan. Aber wir wollen, dass zwei Menschen einfach Spaß haben, wenn es zwischen ihnen knistert.“
Treffen bis der Funke überspringt
Seit 2014 organisieren die Damen der Initiative „Cafés“ – eine Art Slow-Dating, bei denen sich Tandempartner kennenlernen können. Die gab es schon unter dem Namen „Tante Inge auf halber Treppe“ – eine Kooperation mit dem Projekt Auf Halber Treppe – wo Nachbarschaftstreffen im Altenheim abgehalten werden. Außerdem fand im März die Aktion „Tante Inge strickt“ statt, bei der Jung und Alt gemeinsam zu Nadeln und Wolle gegriffen haben. Diese ersten Treffen gab es in Schöneberg und Neukölln, Prenzlauer Berg ist die nächste Station. Langfristig möchte Tante Inge aber in alle Stadtteile. Entsprechend der Wünsche der alten Leute sollen außerdem Aktion mit Titeln wie „Tante Inge lernt Englisch“, „Tante Inge geht online“ oder „Tante Inge trinkt Cocktails“ hinzukommen.
Tante Inge braucht Hilfe
Bisher organsieren Kerstin, Anne und drei weitere Mädels das Projekt allein und neben dem Beruf. Die Kuchen für ihre Cafés ist selbstgebacken, all ihr Material zahlen sie aus eigener Tasche. Darum soll Tante Inge bald zum eingetragenen Verein werden, braucht aber auch dringend Unterstützung. Benötigt wird natürlich Geld, aber auch organisatorische Hilfe und Manpower, um die Idee von Inge weiterzutragen. Umsonst ist das sicher nicht: „Ein Mehrwert ist, dass man merkt, dass alte Menschen nicht langweilig sind, sondern Temperament und Persönlichkeit haben“, sagt Anne. „Oft lernt man einen anderen Umgang mit den Dingen kennen. Man merkt auch, wie sehr man sich um sich selbst dreht. Wir bringen so viel Empathie für globale Probleme auf, aber nicht für die Tante von nebenan.“ Und Kerstin ergänzt: „Mit einer 90-Jährigen kann man sich auch über seine Lebenslagen austauschen. Und es gibt so viele Nomaden, die in Berlin wohnen, aber denen so etwas wie Großeltern hier fehlen„. Sie selbst hat in ihrer echten Tante Inge jedenfalls eine Freundin gefunden.
Auf Tante Inges Homepage findet ihr Tandem-Geschichten im Blog, ihr könnt Enkel werden, Postkarten anfordern, Hilfe anbieten oder Anleitungen finden, um die Idee in anderen Städten zu etablieren.