Franky vom „Longboardz“-Laden, der eine ziemlich angesagte Art von Skateboards verkauft, hat ebenfalls viele Kunden von auswärts: „Weil meine Produkte hochspezialisiert sind, kommt zu mir viel Publikum, das nicht im Wedding wohnt“, sagt er. Wenn ein Auswärtiger das Bild einer typischen Weddinger Straße mit Spielcasinos und türkischen Kulturvereinen im Kopf hat, wird er sich an der Tegeler wundern. Denn inzwischen ist der Longboard-Laden umgeben von Cafés, dem Bioladen, der ZweigStelle, einem Pub und einigen Spezialitätenrestaurants wie dem Koreaner Shikgoo und dem Inder „Naveena Path“.
Ladeninhaber Franky wohnt selbst seit acht Jahren im Sprengelkiez und betreibt seit vier Jahren das „Funky Summer Longboard“ in der Tegeler Straße 30. Die Zahl „65“, die früher für den rauen, „schlechten“ Wedding stand, führt Franky heute stolz im Firmenlogo. „Nachdem Prenzlauer Berg und Friedrichshain transformiert wurden, kann doch nur noch der Wedding als das echte Berlin gelten“, findet er. In „seinem“ Abschnitt der Tegeler gibt es, untypisch für den Wedding, inzwischen so gut wie keinen Leerstand mehr. Gitte Zweig vom Secondhand-Laden ZweigStelle-Berlin, gleich gegenüber, kann sich da noch an ganz andere Zeiten erinnern: „Für meinen Laden habe ich mir vor vier Jahren alle leerstehenden Gewerberäume in der Straße angesehen und alle sind inzwischen vermietet.“
Hierher kommen auch Leute von woanders
Die Tegeler Straße hat sich zu einer urbanen Nebenstraße abseits der großen Verkehrsachsen Müller- und Seestraße gemausert. Für Weddinger Verhältnisse ist die Dichte und Diversität der Gastronomie schon seit einiger Zeit erstaunlich hoch. „Früher gab es hier nur ein, zwei Kneipen als Magnet“, erinnert sich Franky aus dem Longboard-Laden. Inzwischen aber hat die Anzahl der Kneipen, Bars und Cafés so zugenommen wie an keiner anderen Stelle im Wedding. „Allein in den letzten Monaten haben hier im Umfeld der Tegeler / Sprengelstraße vier neue Gastronomiebetriebe aufgemacht“, verrät ein Kneipenbesitzer aus der Nachbarschaft. Noch verstehe man sich gut und sieht die Konkurrenz eher als Ergänzung denn als Bedrohung, doch wie lange das so bleibt, steht in den Sternen.
Historisch: Die Straßenbahnen der Linie 23 rumpeln schon seit 1960 nicht mehr durch die Tegeler Straße. Dafür ist sie heutzutage für staugeplagte Autofahrer eine beliebte Umfahrung. Nur eine Fußgängerampel vor der Brüder-Grimm-Grundschule unterbricht den ständigen Verkehrsfluss. Die Straße existiert schon länger als der Hobrechtsche Bebauungsplan von 1863 und trägt ihren Namen seit 1864.
Mehr Ladenflächen
Secondhand-Laden-Betreiberin Gitte Zweig ist davon überzeugt, dass die Tegeler Straße mit ihren Vorgärten und breiten Bürgersteigen die schönste Bummelmeile weit und breit ist. Nur durch diese Merkmale, glaubt sie, konnte diese Mischung aus Gastronomie, Spezialgeschäften und Galerien entstehen, die für die Tegeler typisch ist. Mit Strickaktionen, bei denen Bäume, Schilder und sogar ihr Fahrrad ein farbenfrohes Kleid bekommen haben, hat die Ladeninhaberin schon ihren Abschnitt der Straße verschönert. „Im Unterschied zur Malplaquetstraße ist die Tegeler Straße nicht verkehrsberuhigt und hat auch traditionell viel mehr Ladenflächen als andere Weddinger Straßen“, erklärt Gitte Zweig. „So ist hier immer was los – und das wollen die Leute doch am liebsten!“
Ausgehen, essen, trinken, bummeln und einkaufen – wenn eine dicht bevölkerte Straße ihr Gesicht verändert und zunehmend schicker wird, sind Konflikte mit Anwohnern irgendwann unvermeidlich. Im Moment profitieren die meisten, wenn sie nicht gerade eine Wohnung im Sprengelkiez suchen – der Zuzug junger Familien ist ungebrochen. Vor dem Bioladen steigt die Kinderwagendichte zeitweise auf Prenzelberger Ausmaße an. Die Tegeler Straße hat inzwischen eine Ausstrahlung, die auch schon in andere Bezirke reicht. Was aber die Straße vor hemmungsloser Aufwertung schützen könnte, sind die gewachsenen Strukturen engagierter Bewohner, Institutionen und Geschäftsleute, die sich die Geschicke ihres Kiezes nicht aus der Hand nehmen lassen.
Vielseitig: Die Tegeler Straße hat unterschiedliche Gesichter: am nördlichen, unbewohnten Ende mischt sich das Kindergeschrei vom Abenteuerspielplatz TELUX mit dem Verkehrslärm der autogerecht ausgebauten Luxemburger Straße. Dann, zwischen der Trift- und der Lynarstraße, reiht sich ein Geschäft oder Lokal an das andere. Und Richtung Fennstraße endet die sonst so quirlige Tegeler Straße ziemlich nichtssagend unter modernen Bahnbrücken aus Beton. Die S-Bahn-Trasse, die dort gebaut wird, wird die letzten Meter der Straße demnächst sogar noch in zwei Straßenstummel zerteilen.
Dieser Artikel wurde uns zur Verfügung gestellt von www.weddingweiser.de
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