Auch das letzte Hindernis ist gemeistert, das Land Berlin hat dem Bund den Grund und Boden am Schlossplatz übertragen. Die Wiederherstellung des Schlüterbaus kann beginnen – zunächst werden Bohrpfähle 42 Meter tief in den sumpfigen Boden getrieben. Der Gewinner der ersten Ausschreibung für den 570 Millionen Euro teuren Neubau wurde von der Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum bereits gekürt. Die Bundeskanzlerin höchstpersönlich könnte in einem knappen Jahr den Grundstein für das Schloss legen
Zwei andere Eckpfeiler zur Gestaltung des historischen Stadtkerns sollen noch 2012 festgeklopft werden. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher möchte den Wettbewerb zur Gestaltung der Umgebung des Neubaus ausrufen: für den Schlossplatz, den Lustgarten und die Freiflächen vor dem Westportal am geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal. Weiter im Süden, am Petriplatz auf der Spreeinsel, soll das Archäologische Zentrum entstehen. Die Finanzierung der Planung wurde in dieser Woche vom Abgeordnetenhaus genehmigt. Nur der Haushaltsausschuss könnte die Neugestaltung des Dreiecks zwischen Schloss, Fernsehturm und Petriplatz noch aufhalten.
Pläne für die Brache
Noch steht die 1292 erstmals erwähnte gotische Marienkirche inmitten städtebaulicher Ödnis. Doch die Veränderung hat begonnen. Von den Rändern her wird das nach dem Krieg eingeebnete historische Zentrum westlich des Alexanderplatzes umgestaltet. Auf der Freifläche am Fernsehturm werden neue Bodenplatten eingesetzt, gegenüber wurden 45 Linden- und Kirschbäume gefällt, um einen Kaufhaus-Neubau nach Plänen von Sauerbruch Hutton zu ermöglichen.
Das Ödland an der Marienkirche betrifft der Neubau nicht. Früher existierte hier ein bürgerliches Wohn- und Geschäftsviertel mit 147 Grundstücken, es gab Straßen und Gassen. Die Überreste davon verschwanden nach dem Zweiten Weltkrieg komplett, die Erinnerung war fast ausgelöscht. Erst der frühere Senatsbaudirektor Hans Stimmann brachte die Idee der Wiederherstellung des Zentrums auf dem Grundriss der mittelalterlichen Stadt wieder auf. Der Architekt Sergei Tchoban präsentierte im „Tagesspiegel“ vor kurzem entsprechende Zeichnungen. Doch wie stehen die Chancen für eine Realisierung?
Senatsbaudirektorin Lüscher verfolgt einen anderen Plan. Für den Westrand des Marx-Engels-Forums, gegenüber vom Humboldtforum, hat sie eine „zweite Freifläche“ im Sinn, die den Lustgarten ergänzt und der Erholung dient. „Das Humboldtforum braucht Freiraum“, erklärt sie. Die Stadt sei hier verdichtet. Durch den Bau des großen Schlosses werde es noch enger. Wenn als Ausgleich der Rand des Marx-Engels-Forums frei bliebe, würde auch die Sichtachse auf das Schloss nicht beeinträchtigt.
Erholungsort oder Bürgerviertel
Lüscher nennt als weiteren Grund die vielen Kultureinrichtungen in der Gegend: auf der Museumsinsel, Unter den Linden – und im Humboldtforum. Ab 2019 werden dort die außereuropäischen Sammlungen zu sehen sein, in einer Zweigstelle der Zentral- und Landesbibliothek können die Besucher Terminals nutzen und Bücher ausleihen. Wer hätte im Anschluss kein Bedürfnis nach frischer Luft, Wasser, Bäumen und Pflanzen? „Schon heute ist der Lustgarten im Sommer so bevölkert“, sagt Lüscher. Daher sei ein zweiter innerstädtischer Freiraum an dieser Stelle dringend geboten.
Ein städtebaulicher Wettbewerb soll die Entscheidung bringen. Er wird jedoch erst nach einer „gut strukturierten Debatte“ beginnen, verlautet aus dem Senat. Wird hier auf Zeit gespielt? Schon bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU zeigte sich das Konfliktpotenzial der Debatte.
Die Vorschläge von Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann für einen „bürgerlichen Wohnort mit Hotels und Läden“ wären ein möglicher Kompromiss. Diese Pläne präsentierte er vor zwei Jahren in einem Buch über die Berliner Stadtmitte. Stimmann wird bis heute von Kulturstaatssekretär André Schmitz unterstützt. „Die Grundstücke muss die Stadt nicht an Investoren verkaufen, sondern an Bürger, die dort ein Haus bauen wollen“, sagt Stimmann. So war es auch am Friedrichswerder. Auf dem historischen Grundriss Berlins könne auf diese Art und Weise die Bürgerstadt des neuen Jahrhunderts entstehen.