Durch den Kiez

Bec: "Das Berghain ist immer meine erste Wahl"

DJ BEC auf der Oberbaumbrücke beim Kiezspaziergang durch Friedrichshain und Kreuzberg.
Einst Londonerin, jetzt Wahl-Berlinerin: Bec hat eine zweite Heimat in der deutschen Hauptstadt gefunden. Zur Foto-Galerie
Kreativkopf, erfolgreiche Designerin und vor allem aufsteigender Stern in der DJ-Welt: Wir haben uns mit der jungen Britin Rebecca Godfrey alias Bec an der Oberbaumbrücke getroffen und quatschten über die Techno-Szene in der Hauptstadt und was es bedeutet, Englishwoman in Berlin zu sein.

Bec ist eigentlich kaum zu übersehen: Sie trägt ein auffälliges, schwarzes Outfit und eine rautenförmige, rosafarbene Sonnenbrille. Es ist ein heißer Sommernachmittag in der Hauptstadt: Die Sonne brennt auf die Warschauer Straße herunter und der Himmel ist wolkenlos. Nachdem wir uns darüber ausgetauscht haben, dass wir doch beide aus Großbritannien stammen und den Weg nach Berlin gefunden haben, können wir nicht anders, als uns etwas zu trinken zu holen. In einer der schönen Bars am Wasser bestellen wir uns ein erfrischendes und trendiges Glas Matcha-Wasser und setzen uns ganz gemütlich zusammen an einen der Plätze mit wunderbarem Spreeblick.

DJ BEC im Gespräch mit uns beim Kiezspaziergang durch Friedrichshain und Kreuzberg.

Bec im Gespräch mit uns.

Geboren wurde Rebecca, die von ihren Freunden einfach Bec genannt wird, in der Nähe der Küstenstadt Brighton, wuchs auf dem Land auf, zog aber wegen ihres Grafikdesign-Studiums nach London um. Dort arbeitete sie als freie Art-Direktorin und Designerin und war sehr erfolgreich: Zu ihren Klienten zählten unter anderem Zalando, IKEA, Google und BMW.  Aber schon damals war da immer die Liebe zur Musik. „Irgendwann hat ein Freund mir meinen ersten Kopfhörer geschenkt und vorgeschlagen, dass ich meine eigenen Tracks mache“, sagt Bec. Als sie in London ein paar Gigs ergatterte, wurde das Berliner DJ-Duo Pan-Pot (Teil der Berliner Plattenfirma Second State) auf sie aufmerksam und lud sie ein, mit ihnen in Berlin zusammenzuarbeiten.

Erster Gig im Watergate

Das ist ungefähr drei Jahre her. Bei ihrem Besuch von Pan-Pot in Berlin ergab sich für sie die Möglichkeit, in dem renommierten Club Watergate zu spielen. Hier kommen wir auch heute vorbei. „Das war, wo meine DJ-Karriere wirklich begann“, sagt sie, als wir an den geschlossenen Türen vorbeilaufen. Und deshalb habe der Club einen besonderen Platz in ihrem Herzen. Bei dem kurzen Intermezzo in der Techno-Metropole blieb es aber nicht. „Jedes Mal, wenn ich hier zu Besuch war, habe ich mich mehr und mehr in Berlin verliebt. Vor allem ist die Stadt die weltweite Hauptstadt der Techno-Szene. Nach Berlin umzuziehen, war also der logische Schritt„, erklärt Bec. Die entspannte und kreative Atmosphäre der Stadt schätze sie besonders. Im Vergleich zu London sei Berlin viel günstiger, also die Bewohner können sich es leisten, ein Risiko einzugehen und ihrer Leidenschaft zu folgen, so Bec. „Hier fühl’ ich mich frei, genau das zu machen, was ich liebe!“

DJ BEC dem Club Watergate gegenüber beim Kiezspaziergang durch Friedrichshain und Kreuzberg.

"Watergate" war Becs erste Station.

Wir lassen das Watergate hinter uns und laufen am May-Ayim-Ufer entlang, wo Bec gerne spazieren geht, um sich eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen. Hektische Zeitpläne und aufwachen immer in einer anderen Stadt gehören zu ihrem Alltag. Was uns wundert: Die Künstlerin, die oft in den Clubs bis in die frühen Morgenstunden auflegt, ist generell nicht nachtaktiv, sondern arbeitet wie die meisten von uns von 9 bis 17 Uhr. „Momentan ist mein Workflow super schnell“, so Bec. Sie könne sogar einen Track pro Tag erstellen, ergänzt sie.

Verschmelzung von Techno und Drum & Bass

Der nächste Halt auf unserem Spaziergang ist ein großer Gebäudekomplex an der Pfuelstraße, der viele Plattenfirmen, Booking-Agenturen und Studios beherbergt, inklusive dem Label Second State, mit dem Bec schon drei EPs produziert hat. Obwohl ihre neueste EP Sines and Breaks mit der Techno-Plattenfirma VOIGHT (deren Hauptsitze sich in Berlin und Barcelona befinden) rausgebracht wurde, produziert sie immer noch Musik für Second State. „Wir sind wie eine kleine Familie und ich werde immer weiter mit ihnen arbeiten“, sagt sie. Im Juni dieses Jahres brachte sie Sines and Breaks heraus. Damit wollte sie Elemente von Drum & Bass und Techno zusammenzubringen: „Sines“ stehe für die Wellenlänge und „Breaks“ stehe für Break-Beats, erklärt Bec. Die EP beinhaltet viele melodische und lebendige Sounds.

Auch im Komplex befindet sich ein Künstler-Zentrum von dem Instrumentenhersteller Roland. Dort zeigt sie uns Ausrüstungen wie Trommel-Synthesizer und Sampler, die sie mit den Roland-Mitarbeitern entwickelt hat und für ihre Tracks jetzt nutzt. Nicht nur als DJ, sondern auch als Produzentin ist sie tätig.

Wir verlassen das Studio und laufen die Köpenicker Straße Richtung Wrangelstraße runter. Als Nächstes zeigt Bec mir ihre Lieblingsspots in Kreuzberg. Hier befindet sich nämlich auch eine von Becs liebsten Bars: die Schwarze Traube, wo sie gerne einen Cocktail trinkt. Gleich in der Nähe ist das schicke Dim Sum-Restaurant Long March Canteen, wo sich Bec mit Freunden für besondere Anlässe trifft. Einen kleinen Snack holt sie sich am liebsten bei der Imbissbude Sahara, die ein paar Straßen weiter entfernt liegt und sudanesische Spezialitäten serviert.

DJ BEC im Roland Studio mit Produzenten Nick de Friez und Musikausrüstungen.

Bec im Studio mit Nick de Friez (Produktmanager bei Roland), der mit ihr ab und zu zusammenarbeitet.

Die 27-Jährige interessiert sich deutlich für den Kiez und alles, was dort passiert. Sie zeigt mir zum Beispiel ein von ihr neu entdecktes Street-Art-Gemälde. Gleich um die Ecke, neben der Markthalle Neun, befindet sich ihr Lieblingscafé Kaffee 9, in dem sie regelmäßig arbeitet, wenn sie eine Abwechslung vom Home-Office braucht. „Was ich daran cool finde: Die Inhaber haben sogar ihre eigene Kaffeerösterei“, erklärt sie.

Teatime mit Eiskaffee

Wir gehen rein, nehmen Platz am Holztresen und bestellen einen Eiskaffee. Das ist nicht gerade das typische Getränk für eine Engländerin, oder? Vielleicht sollte sie eher einen klassischen Tee wie English Breakfast trinken, um dem Klischee zu entsprechen? „Eigentlich bin ich ein großer Fan von Tee und bringe immer eine kleine Packung Earl Grey als Mitbringsel aus England mit. Denn es gibt nichts Besseres als das Gefühl von Zuhause“, findet sie. Hat sie hier in Deutschland viele Briten kennengelernt? „Eigentlich schon, aber ehrlich gesagt kommen meine besten Freundinnen, die ich hier kennengelernt habe, aus Polen, Australien und Holland“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Also eher aus aller Welt!

Als wir an unserem nicht-englischen Eiskaffee nippen, frage ich sie, wie es ist, Frau in der DJ-Industrie zu sein und ob sich Bec irgendwie benachteiligt fühlt. Ihre Antwort: „Ungleichheit habe ich selber selten erlebt. Natürlich gibt es weniger Mädels als Jungs in unserer Branche, aber mir fällt auf, dass es heutzutage immer mehr aufstrebende und sehr begabte Frauen in der Szene gibt!“ Ihre Meinung ganz klar geäußert: „Das Geschlecht eines Künstlers sollte keinen Unterschied machen.“

Da unsere Tassen leer sind, machen wir uns auf den Weg und laufen weiter durch den Kiez, während sie mir erzählt, wie andere Musikrichtungen wie Rock und Pop einen Einfluss auf ihre elektronische Musik haben. So geht sie zum Beispiel gerne ins Funkhaus an der Nalepastraße. „Da gibt’s immer coole Gigs, und der Raum hat die beste Akustik in ganz Berlin“, so die Künstlerin.

DJ BEC beim Kiezspaziergang durch Friedrichshain und Kreuzberg.

Die Künstlerin vor der Tür ihres Lieblingsrestaurants "Long March Canteen" in der Wrangelstraße.

Was die Club-Szene angeht: In London gibt es eher weniger Clubs, die das ganze Wochenende aufhaben, so wie hier beispielsweise das Sisyphos, das von Freitag bis Montag durchgehend geöffnet ist. „Ich geh’ häufig am Sonntagmorgen gegen sieben Uhr in den Club, lass mich dort inspirieren, gehe wieder nach Hause und arbeite an meiner eigenen Musik.“ Da fragen wir natürlich nach ihrem Lieblingsclub: „Ehrlich gesagt muss ich gestehen, obwohl es super klischeehaft ist – Berghain. Die Musik ist immer inspirierend, und da es weniger als fünf Minuten von mir zu Hause entfernt ist, ist es immer meine erste Wahl.“

Zum Schluss laufen wir weiter durch den Wrangelkiez bis zum Schlesischen Tor. Danach muss die fleißige Künstlerin weiter, weil sie ihren heutigen Track fertig kriegen möchte, bevor sie am Wochenende wieder auf Reisen ist. Da treffen wir zufällig einen Kumpel von ihr, der als Türsteher im Berghain arbeitet. Was uns auffällt: Trotz ihres Erfolgs in der Techno-Szene ist sie super bodenständig und locker. Mittlerweile hat sie vor Kurzem ihr eigenes Label namens Curio aufgebaut. Auf dem Aftrsun Festival in Belgien hat das Label sogar eine eigene Bühne und lädt andere DJs dazu ein, dort aufzulegen.

Wir verabschieden uns von Bec und sind gespannt darauf, ihre Tracks irgendwann mal in einem Berliner Club zu hören. Wer von euch gerade noch nach einem Urlaubsspot sucht – Bec hat gerade angekündigt, dass sie im Winter dieses Jahres auf Tour nach Australien und Asien geht!

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