Entschuldigung, die Überschrift ist ein ziemlicher Kalauer (geklaut von den Fans des Spandauer SV), aber damit wollen wir ein Gegengewicht schaffen zur klinischen Präzision der Umfrage, die uns zu diesem Thema angestoßen hat. Nämlich jene der Hertie School for Governance, die nach den Ur-Berlinern und ihrer Verteilung im Weichbild der Metropole gesucht hat – wir berichteten am Dienstag. Das Resultat: An der Spitze der Tabelle liegt Spandau mit 67 Prozent, gefolgt von Reinickendorf (66 Prozent) und Steglitz-Zehlendorf mit 61 Prozent Einwohnern, die in Berlin geboren wurden.
Vermutlich hätte Spandau noch weiter vorn gelegen, wäre dazu auch gefragt worden, wer schon in dritter oder vierter Generation in der Stadt lebt. Denn: Laut Studie sind die Spandauer auch am zufriedensten mit ihrem Bezirk. Selbstverständlich ist das nicht, denn Spandau ist alles andere als homogen und schon gar kein Feine-Leute-Refugium; der soziale Abstand zwischen den Kladower Villen und den alten Mietshäusern im Kiez um die Lynarstraße oder den Wohngebirgen des Falkenhagener Feldes könnte kaum größer sein. Und es verbindet auch kaum etwas die endlosen Gewerbegebiete im Osten mit den grünen Idyllen der alten Rieselfelder und des Waldes im Norden.
Immerhin: Die Spandauer haben ein Alleinstellungsmerkmal, eine Straße mit dem schönen Namen „Freiheit“. Sie führt nicht durch eine schöne Gegend, aber schlägt doch das Grundmotiv des Spandauer-Seins an: den distanzierten Blick auf Berlin. Irgendwie sind sie damals so reingerutscht, als Groß-Berlin zusammengeschraubt wurde, dumm gelaufen soweit. Aber kein Spandauer akzeptiert das, bis heute: Sie alle fahren, wenn es sein muss, selbstredend „nach Berlin“.
Und sie haben die Havel ziemlich für sich allein. Klar, weiter oben leben ein paar Tegeler dran und ihre Satelliten, aber das ist es dann auch schon, das ist einfach auch das falsche Ufer. Ja, das gibt es durchaus, denn der originäre Spandauer hat sich selbstverständlich schon vor Generationen am Westufer angesiedelt und blickt etwas skeptisch auf die Leute drüben in Hakenfelde, die als unsichere Kantonisten gelten, das ist eigentlich die Berliner Seite. Zu der auch Siemens, BMW und Ikea gehören, aber auf deren Geländen wohnt ja praktisch niemand, das lassen sie in Spandau gelten.
Kein Szene-Getue und keine überteuerten Mieten
Zu den Spandauer Vorteilen gehören selbstverständlich auch seine Nachteile. Hipster, die in Mitte jede Ecke kennen, werden in der Regel keinen Fuß in diese Gegend setzen – das verhindert jegliches Szene-Getue und hält die Mieten im grünen Bereich. Und wer die Spandauer auf ihre, sagen wir, verbesserungsfähige Gastronomie anspricht, in der Döner und Falafel eine wesentlich wichtigere Rolle spielen als Michelin-Sterne, die es hier noch nie auch nur annähernd gegeben hat – der kriegt zu hören, das sei ja auch gut so, denn das Bodenständige gehöre nun mal zu Spandau, und nicht dieser Berliner Schnickschnack.
Der wichtigste kulinarische Exportartikel der Havelstadt ist deshalb auch ein ganz volkstümliches Produkt, nämlich das Florida-Eis, erfunden und bekannt geworden in der Klosterstraße. Dass der Chef beim Expandieren im Ort geblieben und nicht den Lockrufen der gierigen Falkenseer Nachbarn gefolgt ist, haben sie ihm hoch angerechnet – aber so ist das nun mal mit den Spandauer Genen.
Nur ganz selten mischt sich ein wenig Selbstüberschätzung in die Worte des Spandauers. „Wenn ich in Budapest Taxi fahre“, sagte Hagen Stamm, „dann weiß der Fahrer nichts von Berlin, aber Spandau kennt er.“ Ja, schon klar. Der Präsident der Wasserfreunde Spandau befand sich allerdings auch im Ausnahmezustand, es gibt Ärger um das Kombibad, und er fragte sich laut, ob der Verein denn noch den richtigen Bezirk im Namen führe. Aber welcher wäre der richtige? Tempelhof oder Köpenick? Das klänge doch sehr seltsam. Nicht nur in den Ohren der echten Spandauer.