Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez

Alfred Schwarzmüller verrät, wo du nach eigener Façon glücklich wirst

Wrangelkiez – Der Münchener Krimiautor begann seine ersten Berliner Jahre in den 80ern als Kreuzberger Hausbesetzer. Trotz Stationen in Neukölln, Prenzlauer Berg und Treptow ist ihm seither klar, nur nach dem "Kreuzberg-Code" lässt es sich gut leben …

Wir treffen uns im Sofia, einer alten Kneipe in der Wrangelstraße, wie sie typischer für den Stadtteil nicht sein könnte. Der Kaffee ist stark, die Rauchschwaden scheinbar undurchdringlich und der Barmann betont wortkarg. Nun gut, es ist ja auch erst 12 Uhr mittags. Quasi eine Morgenstunde in der Kreuzberger Kneipenwelt.

Ein aufregender Platz der Welt

Alfred W. Schwarzmüller begrüßt mich aber mit wachem Blick und kräftigem Händedruck. Vor ihm steht schon eine Tasse Kaffee. Es soll nicht die letzte an diesem Tag gewesen sein. „In Kreuzberg bin ich am liebsten. Hier sind meine Freunde und ich habe das Gefühl, an einem aufregenden Platz der Welt zu wohnen“, erzählt der Autor und fügt hinzu: „Und bis vor Kurzem regierte hier auch noch nicht das Geld.“

Das Thema Gentrifizierung ist für den Lebenskünstler, der auch als Schauspieler, Cutter, Kulissenbauer und gelegentlich als Filmemacher tätig ist, nicht unbedeutend. „Zwischen 1998 und 2000 habe ich in Prenzlauer Berg gewohnt. Da ist die Kiezstruktur radikal umgekippt“, berichtet der 53-Jährige. In Kreuzberg hingegen sei die soziale Struktur noch relativ stabil: „Es sind immer noch viele Leute von früher hier.“

Wenn er nicht gerade durch Kreuzbergs Straßen spaziert, um neue Charaktere und Geschichten zu ersinnen, hält sich Schwarzmüller gern in der Markthalle Neun und bei Sonnenuntergang auf der Terrasse des Edelweiss auf. „Meine Stammkneipe ist das Mysliwska auf der Schlesischen Straße. Und im Sommer trifft man mich am Teufelssee„, so empfiehlt er seine Lieblingslocations.

Im „Kreuzberg-Code“ ist der Name Programm

Der gebürtige Münchner zählt mittlerweile zu den Alteingesessenen im Kiez. Seit 15 Jahren wohnt er am Mariannenplatz. Aber auch den Reichenberger Kiez und das Viertel um den Viktoriapark nannte er schon sein Zuhause. Kein Wunder also, dass er Kreuzberg als Schauplatz für seinen ersten Kriminalroman wählte. Im „Kreuzberg-Code“ ist der Name Programm. Immer wieder wird der Leser über die Eigenarten dieses besonderen Berliner Stadtteils und seiner Einwohner aufgeklärt.

Nur so viel sei verraten: Privatdetektiv Maurice Jäger ist ein mit allen Wassern gewaschener Draufgänger, dessen Leben einen radikalen Verlauf nimmt, als er auf seine schöne Auftraggeberin Vanessa Swift trifft. Eigentlich soll er „nur“ den Mord an dem Marathonläufer Gamal Barré aufklären. Doch schon bald findet Maurice sich in einem Netz aus russischen Auftragskillern, zwielichtigen Geheimagenten und wild gewordenen Computerhackerinnen wieder.

 

Warum gerade Kreuzberg?

Code Kreuzberg: „Sagen, was man denkt: präzise, knapp und ehrlich. Ohne Schnickschnack“, ist im Buch nur eine der Erklärungen für die ungeschriebenen Verhaltensregeln, auf die sich die Kreuzberger in scheinbar stiller Übereinstimmung geeinigt haben. Damit bezieht sich Schwarzmüller eigentlich auf den Code civil von Napoleon, das erste Zivilgesetzbuch der Franzosen und eines der bedeutendsten Gesetzeswerke der Neuzeit.

Aber warum gerade Kreuzberg? Für seine Antwort bedient sich der Autor mit den langen, blonden Haaren und den markanten Gesichtszügen eines Zitates vom Alten Fritz: „Ich will es mal so ausdrücken, hier kann jeder noch nach eigener Façon glücklich werden.“

Der „Kreuzberg-Code“ erschien 2014 im Emons Verlag. Die Mischung aus Hauptstadtkrimi und Gesellschaftssatire ist für 10,90 Euro erhältlich. Kaufen


Mehr Kriminalisten aus Berlin:

Kneipe Sofia, Wrangelstraße 93, 10997 Berlin

Telefon 0178 5015534

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