Jan-Henrik Scheper-Stuke hat sich von den Strapazen der Berliner Fashion Week gerade erholt und empfängt uns in seiner Manufaktur in einem unscheinbaren Hinterhof in der Skalitzer Straße 100. In den Räumen entstehen schon seit über 100 Jahren Krawatten, Schleifen, Tücher und Schals für den Gentleman. Präsident Obama, Klaus Wowereit oder beispielsweise Joachim Gauck tragen sie. Natürlich plaudert Scheper-Stuke gern über Mode. Er, der selbst als Werbegesicht für seine Firma fungiert. Er, der personifizierte Dandy. Mit dieser Bezeichnung kann er sich aber durchaus arrangieren. „Mit dem Dandy ist es ja nicht mehr wie vor 100 Jahren“, erklärt er. „Damals lebte ein Dandy dafür, sich zu kleiden – und arbeitete nicht. Diesen Lebensstil muss man sich heutzutage erst mal leisten können. Die Dandys von heute sind eher sehr fleißig und arbeiten viel.“
Seine Vermarktungsstrategie, das über 100 Jahre alte Traditionsunternehmen Edsor mit ihm als Werbegesicht international zu etablieren, geht seit 2009 mehr und mehr auf. „So etwas wie mich gibt es in Berlin sonst nicht“, sagt er, ohne dabei großartig blasiert zu wirken. Dem typischen Berliner Style ist der Liebhaber alter Traditionen natürlich nicht besonders zugetan. „Hier trägt man ja wirklich Trash-Schick“, lästert Scheper-Stuke. „Das Publikum der Berliner Fashion Week hat für mich etwas karnevalsmäßiges, das ist ein echter Zirkus. Berlin ist nur deshalb ein Spielplatz der Modeindustrie, weil es als hip gilt. Die Bread & Butter allerdings, das muss man betonen, ist international wirklich einzigartig aufgestellt und europaweit führend in den Bereichen Urban- und Casualwear.“
Neue Wohnung in Mitte
Der fleißige Geschäftsmann arbeitet viel in Kreuzberg, daher fühlt er sich auch in der Gegend rund um die Skalitzer Straße zu Hause – obwohl die Ecke sicher eher im Kontrast steht zum feinen Zwirn, für den Edsor und Jan-Henrik Scheper-Stuke stehen. „Hier hab ich meinen Inder an der Ecke, wo mir mittags das Essen hingestellt wird, ohne dass ich bestellen muss, alle grüßen mich auf der Straße und meine türkische Bäckerei legt mein Schokobrötchen schon bereit“, erzählt der „Krawattenmann“, wie er oft bezeichnet wird. „Das ist für mich Kiezgefühl. Im Grunde bin ich aber ein gewolltes Mitte-Kind!“
2006, als Scheper-Stuke nach Berlin kam, zog er in die Sophienstraße. Vor sechs Wochen hat er sich aber eine Wohnung in der Veteranenstraße gekauft. „Meine erste eigene Immobilie“, sagt er nicht ohne Stolz. Dort wohnt er gerade noch zwischen Umzugskartons auf insgesamt 100 Quadratmetern. Fünf Meter breit und 20 Meter lang ist sein Zuhause, mit großzügigem Balkon auf einer Seite, Bodenbelag aus lackiertem Estrich und einem großem Esstisch für Dinnerpartys, die er gerne gibt. „Während es in der Sophienstraße sehr touristisch ist, finde ich meine neue Umgebung urbaner – obwohl es ja eigentlich nur einen Kilometer Luftlinie entfernt ist“, meint Scheper-Stuke. Den Weinbergspark zum Beispiel hält er für einen wunderschönen Ort, an dem es einerseits Obdachlose und Alkoholismus gibt, an dem sich andererseits die Leute aber auch „wie Laubenpieper auf die Wiese legen“. Lächelnd erklärt er: „Das wäre ja nicht so meins, so auf drei Quadratzentimetern Platz auf der Wiese zu liegen – da kann ich mich nicht entspannen.“ Schließlich ist er klaustrophobisch veranlagt, weswegen er bei Fashion Week-Shows auch immer außen platziert wird.
Von Lieblingsorten und Gentrifizierung
Im Biergarten vom Nola’s im Weinbergspark zu sitzen findet er dagegen ausgesprochen schön, genauso wie er das Restaurant Pappa e Ciccia in der Schwedter Straße mag oder die Bäckerei Bei Maria gleich gegenüber seiner neuen Bleibe. „Bei ihr gibt’s Backwaren von Le Nôtre (Anmerkung der Redaktion: bekannte Pariser Patisserie) und auch sie hält meine Schokocroissants schon für mich bereit, wenn ich komme“, schwärmt er.
Den Charakter eines Kiezes hält er generell für wichtig. „Am Hackeschen Markt gibt es aufgrund all der Bauprojekte keinen Kiezcharakter mehr, das ist schon schade“, findet er. „Durch Gentrifizierung passt sich in Berlin sowieso alles langsam Mitte an. Hier im SO 36 ist das noch anders. Aber auch in Kreuzberg, zum Beispiel am Paul-Lincke-Ufer, steht schon ein Konzeptbau neben dem nächsten. Einerseits holt man sich so an der einen oder anderen Stelle sicher Publikum in den Kiez, das ihn finanziell aufwertet. Andererseits werden aber auch Menschen, die den Kiez ausgemacht haben, in andere Stadtteile vertrieben, wo sie den Kiez neu gestalten.“
Lesen Sie nächste Woche in unserer Reihe „Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez“: Ralph Morgenstern