In den Frauentreff Olga in der Kurfürstenstraße kommen Sexarbeiterinnen, um zu essen und sich auszuruhen, um zu schlafen, zu duschen oder Wäsche zu waschen. Außerdem werden die Frauen hier rechtlich beraten und medizinisch versorgt. Das Wichtigste ist aber: Hier haben sie eine Auszeit von ihren Freiern, sind sicher vor Belästigungen, Schmähungen und Gewalt. Von solchen Erfahrungen, aber auch von ihren Wünschen und Gedanken erzählen die Sexarbeiterinnen in dem Buch „Photovoice Kurfürstenstraße“.
Dass diese selbst zu Wort kommen, findet Monika Nürnberger besonders wichtig. Sie war gemeinsam mit Lilli Böwe und Nora El-Ayachi für die Redaktion des Fotobuches zuständig. „Es wird sehr viel über Sexarbeiterinnen geredet, aber kaum mit ihnen“, beklagt sie. „Jeder hat eine moralische Empfindung gegenüber diesen Frauen. Dabei ist das keine homogene Gruppe, sondern es sind alles einzelne Menschen.“
Von dem Buch profitieren alle
Die Sozialarbeiterinnen haben während der zehnmonatigen Arbeit an dem Projekt viel mehr über die Frauen erfahren. Auffällig sei vor allem gewesen, für wie viele von ihnen der Glaube eine riesige Rolle spiele, berichtet Nora El-Ayachi. So beschreibt eine Frau in dem Buch, dass sie täglich in der Bibel liest, niemals ohne sich vorher gründlich zu waschen. „Außerdem war ich überrascht, welche großen Geschichten hinter manchen Fotos steckten“, ergänzt die Sozialarbeiterin. Denn in der Regel lagen erst die Fotos von dem vor, was die Frauen als wichtigen Teil ihres Lebens präsentieren wollen. Erst nachdem das aussagekräftigste Motiv gewählt war, haben die Frauen dann erzählt, was sie mit dem Bild verbinden.
Den porträtierten Frauen hat das Projekt ebenfalls viel gebracht. Zum einen habe die monatelange Arbeit daran die Beziehungen zwischen den Frauen im Olga, aber auch zwischen Sex- und Sozialarbeiterinnen gestärkt. Vor allem hätten die Frauen sich über das Interesse an ihnen und ihrem Leben gefreut. Schließlich seien viele negative Reaktionen gewohnt, wenn sie aus ihrem Alltag berichten. Aber die Anerkennung, die sie durch die fertige Arbeit erhalten haben, mache die 14 porträtierten Frauen stolz, erzählt El-Ayachi.
Das realistische Bild, das das Photovoice Projekt von ihrem Leben und Alltag zeigt, soll nun zur Aufklärung über das Leben und die Probleme der Prostituierten in der Kurfürstenstraße beitragen. Es soll auf die oft schwierige Situation der Frauen, die im Kiez arbeiten aufmerksam machen und einen Beitrag zu der Diskussion über Sexarbeit leisten, die seit ihrer Legalisierung entstanden ist.
Noch sind die Fotos und Geschichten nur für die Sexarbeiterinnen selbst im Frauentreff Olga zugänglich. Dort gibt es in einer kleinen Auflage auch eine gedruckte Version des Fotobuches. Außerdem könnt ihr das gesamte Werk hier online lesen.
Am 1. April um 15 Uhr feiert dann die Ausstellung zu dem Photovoice-Projekt im Rathaus Tiergarten seine Vernissage. Sie kann dort bis zum 29. April besucht werden.