Eigentlich wollen wir mit Einar Skjerven an seinem Berliner Lieblingsort spazieren gehen. Aber an diesem Tag wird der Strausberger Platz von dunklen Wolken, Wind und starkem Regen heimgesucht. Im Gesicht des norwegischen Immobilieninvestors ist davon wenig zu sehen. Entspannt trinkt er im italienischen Restaurant „A Mano“ seinen Kaffee. Und trotz allem hört er gar nicht mehr auf zu lächeln – vor allem, wenn der von Stalinbauten umschlossene Platz Thema ist, an dem wir uns treffen.
Und plötzlich ist’s im Wedding doch toll
Es ist spannend, sich mit jemandem wie Skjerven (sprich: Scherwen) über Berlin auszutauschen, weil er die Stadt in den letzten Jahren auf besondere Weise beobachtet hat. Zu entdecken, wo es interessant ist und wo man gut wohnen kann, gehört zu seinem Beruf. Um ein Gefühl für bestimmte Kieze zu bekommen, geht Skjerven oft zu Fuß und besucht interessante Häuser grundsätzlich zu unterschiedlichen Tageszeiten. „Bestimmte Bezirke verändern sich Tag und Nacht“, erklärt er und berichtet von einem Fall, in dem ihn diese Methode davor bewahrt hat, ein Haus mit einem der größten Swinger-Clubs in Prenzlauer Berg zu kaufen.
Auf seinen Streifzügen bemerkte der Investor, dass in jedem Berliner Bezirk ein ganz eigenes Gefühl herrsche. Er spricht Kreuzberg eine konservative Coolness zu, Friedrichshain sei auf eine hippere Weise cool. Neukölln hingegen sei Rock’n’Roll.
„2008 habe ich noch gesagt, ich kaufe niemals in Neukölln und Wedding – und erst letztens habe ich mein erstes Haus im Wedding gekauft“, gesteht Skjerven. Zugegeben, dass Wedding zu den Szene-Bezirken gehört, ist kein Geheimtipp mehr. In Mitte kaufe er hingegen nicht mehr – zu teuer für die „Normalverdiener“, zu denen Skjervens Käufer gehören. Das neue große Ding könnte Marzahn werden, mutmaßt der zugezogene Experte. Schließlich könne man hier noch preiswert wohnen und viele Künstler würden sich dort niederlassen. Selbst investieren würde Skjerven dort allerdings noch nicht.
Karl-Marx-Allee: Champs-Élysées des Ostens
Auch der Strausberger Platz war eine tote Ecke, als Skjerven dort im Jahr 2006 sein erstes Haus gekauft hat. Statt bei Tag und Nacht in Ruhe über die Investition nachzudenken, hat Skjerven dort sofort zugeschlagen. „Das war, als hätte mir jemand angeboten, das Ende des Champs-Élysées zu kaufen“, erklärt Skjerven. Die Karl-Marx-Allee habe den Norweger schon immer fasziniert und wann habe man schon die Chance, einen so geschichtsträchtigen Ort zu besitzen?
Die denkmalgeschützten Stalin-Bauten mit ihrer typischen DDR-Architektur ziehen sich vom Strausberger Platz bis zum Frankfurter Tor. Skjerven schwärmt von den modernen 50er-Jahre-Bauten, von ihrer braun gefliesten Fassade, der Zentralheizung, den Fahrstühlen und Müllschluckern in den Häusern. Außen stalinistisch, innen Bauhaus. Fundamente und Keller der Häuser sind Berlins Trümmer aus dem zweiten Weltkrieg.
Insgesamt gehören dem Mann aus Oslo jetzt zwei Häuser mit 160 Appartements am Strausberger Platz. Wert und Wohnstruktur haben sich seit dem Ankauf verändert. Ur-Berliner leben neben Wahl-Berlinern aus dem In- und Ausland. „Der Platz ist attraktiver als die ganze Stadt“, erklärt Skjerven, weil die Zuzugsrate hier überdurchschnittlich sei. Er wolle allerdings gerade, dass auch die alten Mieter bleiben.
„Das einzige, das dieser Platz nicht zu bieten hat, ist Grün“, bedauert Skjerven. Das sei auch der Grund dafür, dass er mit seiner Familie nicht im Friedrichshain wohne, sondern im „langweiligen“ Grunewald.
Der Berlin-Hype ist noch nicht vorbei
Neben Friedrichshain sind laut Skjerven Zehlendorf, Charlottenburg, Wilmersdorf, Mitte, Kreuzberg, Pankow und Prenzlauer Berg besonders interessant für Neuberliner. In all diesen Bezirken besitzt und vermietet er Wohnungen, 2000 Objekte sind es in ganz Berlin.
Er träumt von einem DDR-Museum
Einar Skjervens Begeisterung für DDR-Gestaltung endet nicht bei Architektur und Bauhaus-Stil. Er wünscht sich in seinen Räumen am Platz auch ein DDR-Museum. Einmal hat er gemeinsam mit einem Verein aus Eisenhüttenstadt schon versucht, ein solches Museum einzurichten, mit allen möglichen Dingen im Stil der 60er und 70er Jahre des Ostens. Ergänzt werden sollte das durch eine Bar auf den Dächern der Stalin-Bauten. Eine Genehmigung vom Bezirk gab’s aber nicht. Bald wird Skjerven einen neuen Versuch starten, sagt er noch, bevor er zum nächsten Termin eilen muss – und zwar im Laufschritt. Die Zeit haben wir beim Quatschen über Berlin und seine Besonderheiten zwischen Platzregen und DDR-Charme ganz aus den Augen verloren.