Mit Spreewasser getauft, das wird man nicht los. „Ich bin, Gott sei Dank, Berlinerin“, so betitelte Marlene Dietrich ihre Autobiografie, obwohl sie sich doch in der ganzen Welt herumgetrieben hatte. „Ich bin Berlinerin, durch und durch“, so bekannte ihre Kollegin Inge Meysel Ende 1999 im Gespräch mit dem Tagesspiegel, und da lebte sie schon lange überwiegend in Hamburg, stand zudem kurz davor, ihre Wohnung in Schöneberg aufzugeben, die sie noch immer vier, fünf Tage im Monat nutzte. Aus den Mietwohnungen in der Heylstraße 29 sollten Eigentumswohnungen werden, da machte sie, 89-jährig, nicht mehr mit: „Ich kaufe doch in meinem Alter keine Wohnung mehr.“
Wenngleich Inge Meysel, spätestens seit ihrer Rolle als Käthe Scholz in der von 1965 bis 1971 ausgestrahlten TV-Serie „Die Unverbesserlichen“, als die „Mutter der Nation“ galt, so war sie doch von Geburt an, und vor allem mit ihrer herzlichen Kratzbürstigkeit, durch und durch Berlinerin. Am 30. Mai 1910 war sie in Neukölln geboren worden, wuchs in Friedrichhain auf, Tochter einer Dänin und eines jüdischen Tabakwarengrossisten. Im Margareten-Oberlyceum in Mitte ging sie zur Schule, posierte bereits mit zehn Jahren für ein Berliner Kaufhaus als Hutmannequin. In Charlottenburg begann sie an der Schauspielschule von Ilka Grüning und Lucie Höflich eine Ausbildung, hatte ihr Debüt 1930 in Zwickau, kehrte aber bald zurück und spielte ab 1932 am Renaissance-Theater, bis sie als „Halbjüdin“ 1933 nach der Machtübernahme durch die Nazis Berufsverbot erhielt.
Erinnerungen an John F. Kennedy
Die Räume in der Heylstraße hatte sie von ihren Eltern übernommen. „Alle meine Erinnerungen hängen noch an dieser Wohnung“, erzählte sie. Ihr Vater hatte sich während der NS-Zeit versteckt. „Dann, 1945, kurz nachdem er sein Versteck verlassen hatte, wurde ihm ein Raum in der Wohnung in Schöneberg zugewiesen.“ Später nutzten die Eltern die gesamten fünfeinhalb Zimmer, und auch nach deren Tod blieben sie mit Inge Meysel als Mieterin in der Familie.
Oft sah man sie in der Charlottenburger Grolmannstraße im „Diener“, da konnte es schon mal vorkommen, dass Günter Pfitzmann das Bier zapfte. Und im Kempinski, das war in den Achtzigern, fühlte sie sich von der Zigarre des Edgar-Wallace- und Karl-May-Filmproduzenten Horst Wendlandt einmal so gestört, dass sie aufsprang und das im Aschenbecher vor sich hin qualmende Ding mit einer Karaffe Wasser löschte.
Werbung für Berlin als Hauptstadt
Schon damit hatte sie sich die Ernst-Reuter-Plakette verdient, die sie 1991 vom damaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen erhielt. Und 1999 war im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt die Goldene Kamera fällig. Nun also eine Gedenktafel in KPM-Porzellan, dort, wo jahrzehntelang eine hölzernes Namensschild zu ihr wies: „I. Meysel“.