Hinter der grünen Jugendstiltheke stapeln sich Nägel und Schrauben bis unter die Decke. Gegenüber türmen sich Töpfe und Pfannen, dazwischen stehen Rasenmäher. „Manche sagen, das sieht unsortiert aus, aber es ist alles da für die Nahversorgung“, sagt Helmut Döring. Der Inhaber eines Eisenwarengeschäfts am Kaiserdamm in Berlin-Charlottenburg legt Wert auf das Prädikat „Vollsortiment“: „Eisen-Döring hat alles.“
Döring ist Besitzer einer der letzten klassischen Eisenwarenläden Berlins. Er ist stolz auf das Erbe. Und verteidigt es tapfer gegen die Übermacht von Baumärkten und Einkaufszentren, die ihm immer mehr Kunden wegnehmen. „Nur noch Fläche zählt, nicht die kleinen Krauter.“
Trends verweigert
Der Eisenwarenhändler führt seinen Kampf auf 450 Quadratmetern. Die Großen halten mit Flächen bis zu 26.000 Quadratmetern dagegen. Döring erinnert sich noch, wie er den Keller des Geschäfts mit seiner Frau Renate in den Sechzigern in Schuss brachte: „Das war eine Tropfsteinhöhle, alles kaputt vom Krieg und durchfeuchtet.“ Weil es an Verkaufsraum mangelt, können die Dörings keinen Zement oder andere Baustoffe anbieten. Und der Gartenbedarf muss unter der Markise am Bürgersteig Platz finden. Das ist der Grund, warum selbst Stammkunden zu den großen Baumärkten gehen, sagt Döring – um sich dort auch mit allem anderen Nötigen einzudecken.
Auch Juniorchef Frank Döring kennt seinen Gegner: Es ist „die Bequemlichkeit der Leute, sich ins Auto zu setzen und auf einen großen Parkplatz zu steuern“. Er will dagegenhalten, indem er alles, was nicht im Regal steht, notfalls bestellt und frei Haus liefert.
Sein Vater Helmut Döring ist stolz, dass er sich der Mode verweigert hat, das Geschäft zu spezialisieren, und nach wie vor alle Kunden fachkundig berät. „Die Seele unseres Geschäfts haben wir nicht wegrationalisiert“, sagt er. Im Keller schleift er Alt-Berliner Türschlüssel. Die Handschrift auf den Etiketten stammt noch vom Großvater.
Abschaffung der Eisenwarenhändler
Der hatte das Stammhaus 1906 in Rixdorf gegründet. Der Vater kaufte den im selben Jahr gegründeten Eisenwarenladen Julius Walter, in dem das Geschäft heute untergebracht ist, nach dem Mauerbau – als zweites Standbein, weil in Neukölln die Kundschaft wegblieb. Später teilte er das Geschäft unter seinen Söhnen auf. Den zweiten „Eisen-Döring“ im Süden Berlins, den Helmut Dörings Bruder Oskar betrieb, gibt es mittlerweile auch nicht mehr.
Vater Döring erzählt, wie es stetig aufwärts zu gehen schien, bis in die Achtzigerjahre und dann noch einmal nach der Grenzöffnung. „Als die Mauer fiel, war das Geschäft so voll, dass man nicht mehr an die Regale kam“, sagt Renate Döring. „40 Prozent mehr haben wir plötzlich verkauft.“ Ihr Mann habe gedacht, das bleibt jetzt so. Aber dann ging’s immer mehr bergab. „Die Eisenhändler sind abgeschafft worden“, schimpft ihr Mann. Gegenüber 80 Eisenwarenläden im Westteil vor 1989 gebe es heute noch 35 in ganz Berlin.
„Früher war da ein engerer Zusammenhalt“, sagt seine Frau. „Vier- oder fünfmal im Jahr kam man im Nürnberger Bund zusammen.“ In dem 1996 aufgegebenen Verband besprachen die Eisenhändler Strategien gegen Baumärkte und sangen das Eisenhändlerlied.
Mit Kampfgeist gegen die Großen
Die größte Gefahr drohte dem Laden 1999, als die Berliner Verkehrsbetriebe ein altes Straßenbahndepot um die Ecke an eine Baumarktkette verkaufen wollten. „Ich habe gekämpft, mit den Anwohnern und den umliegenden Geschäften“, erzählt Döring. „Wir haben Politiker eingeladen. Grün bis Schwarz, alle waren dabei. Die Epiphanienkirche war gerammelt voll.“ Er hat sich durchgesetzt: An der Wand hängt noch der Bericht im Tagesspiegel, dass die Baumarktkette aufgab.
Im Sommer 2011 feierte Helmut Döring 105-jähriges Jubiläum. Erhofft, dass es noch viele mehr werden: „Bedenklich ist es noch nicht, aber man muss halt aufpassen“, sagte er. „Es gibt so ruhige Phasen.“ Den Kampf gegen die Großen will er noch lange weiterführen.