Eine stattliche Fassade mit Blumenpracht davor – es gibt wohl keinen besseren Ort für ein erstes Rendezvous mit Schmargendorf als sein Rathaus. Und für ein Treffen mit Elisabeth Herrmann auch nicht: Die Thriller- und Drehbuchautorin wohnte über fünf Jahre schräg gegenüber, bevor es sie mit ihrer Tochter ein Stück weiter in den Westen gezogen hat. Das Rathaus, in seiner Backsteingotik, komplett mit Zinnen, Turm und Uhr, macht richtig was her. Es sei „eine der Adressen zum Heiraten“, erzählt uns Herrmann – auch für Prominente.
Schmargendorf hat etwas Kleinstädtisches. Die Berkaer und die Breite Straße haben die meisten Einkaufsmöglichkeiten und bilden eine Art Ortszentrum. Sogar eine Dorflinde steht dort wieder, zu der wir nun aufbrechen. Elisabeth Herrmann lebt schon lange im Wilmersdorfer Ortsteil, ist aber in Frankfurt/Main aufgewachsen. „Meine Heimat ist Frankfurt, mein Zuhause Berlin“, sagt sie. Bevor sie als Thriller-Autorin durchstartete, war Herrmann Journalistin beim rbb. Heute kleben Spiegel Bestseller-Aufkleber auf ihren Büchern. Besonders erfolgreich ist die Reihe um den Anwalt Joachim Vernau, der in den Romanen selbst kräftig durchgeschüttelt wird. Alle fünf Teile wurden verfilmt und im ZDF gezeigt – mit Jan-Josef Liefers in der Hauptrolle. „Das war ein echter Glücksfall damals“, sagt die Autorin über die zugkräftige Besetzung. „Er hat mir damit auch sehr geholfen.“ Die Reihe erwies sich im Fernsehen als ausgesprochen quotenstark.
Bücher zum Mitdenken
Zuletzt erschien der Roman Schatten der Toten, dritter Teil aus der Reihe um die Tatortreinigerin Judith Kepler. Diese ist wie auch Anwalt Vernau in seinen Büchern sehr persönlich in die Handlung involviert, hat eine schwierige Vergangenheit hinter sich und sieht sich nun mit einem der aktuell größten Verbrecher konfrontiert: ihrem Vater. Das Geschehen spielt sich unter anderem in der Ukraine ab und ist alles andere als eine straighte Mörderjagd. Themen sind unter anderem Waffenhandel, Rechtsradikalismus und alte Stasi-Seilschaften. Neben vielen Fans finden sich im Netz auch Leser*innen, die Herrmanns Thriller für (zu) kompliziert halten. Aber die Autorin lässt sich absichtlich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner des Massenunterhaltungsmarkts ein; um nicht zu langweilen oder gelangweilt zu sein. „Ich bin kein Freund von Abholen. Ich bin eher der Meinung: Ich reiche euch die Hand, kommt her! Bemüht euch!“
Wir machen Halt bei Da Dalt in der Breiten Straße. Es ist ein angenehm warmer Tag, da kann ein Eis jetzt nicht schaden. Der kleine Laden mit nur wenigen Sitzplätzen geht auf einen Familienbetrieb zurück, der schon in den Sechzigerjahren unter demselben Namen mehrere Eisdielen in West-Berlin führte. „Da Dalt ist Kult, das beste Eis Berlins“, schwärmt Elisabeth Herrmann. „Es ist schon Tradition, dass die Kinder hier in Reihen stehen, wenn es Zeugnisse gibt.“ Einen Banana Split später wissen auch wir, warum. Direkt gegenüber liegt die Schmargendorfer Buchhandlung. Hier hatte Herrmann gerade eine Lesung, hier stöbert sie selber gerne durch die Regale oder setzt sich mit Sabine Kahl, der Betreiberin, auf einen Kaffee hin. Neben Bücherwürmern kommen bei Kahl übrigens auch Kerzenfreunde auf ihre Kosten.
Halb Schmargendorf, halb Spreewald
Neben dem Buchladen geht es zur Dorfkirche von Schmargendorf, laut Wikipedia der kleinsten erhaltenen Dorfkirche Berlins, vom Ende des 13. Jahrhunderts. Natürlich ist sie an diesem Werktag wie die meisten evangelischen Kirchen verschlossen. So kehren wir vom Friedhof auf eine Bank vor dem Buchladen zurück. Auch in den Kepler-Büchern kommen Tote vor, schon im Titel. Jedoch nicht als Grusel- oder Splattereffekt: „Ich weide Morde nicht aus“, sagt Elisabeth Herrmann.
Für die nächsten Monate und 2020 hat sie schon wieder einiges vor: Der neue Vernau kommt, ein neues Jugendbuch – nicht ihr erstes – spielt in Norwegen. Für den WDR schreibt sie an einem Zweiteiler über Werner von Braun und im Herbst 2020 sitzt sie in der Jury des Viktor Crime Awards.
Irgendwann nächstes Jahr wird Herrmann dann einen Teil ihres Lebens und vor allem ihres Arbeitens in den Spreewald verlagern. In einem Dorf mit Bahnanschluss nach Berlin hat sie ihr Traumhaus gefunden, das aber erst noch hergerichtet werden muss. Ist das geschehen, möchte sie montags bis mittwochs dort schreiben und auch manches Wochenende fernab der Großstadt verbringen: „Am meisten werde ich wohl unter meinem Apfelbaum sitzen und endlich das Leben führen, von dem ich immer geträumt habe, wie es aussehen sollte, wenn man Schriftstellerin ist.“