Letzte Woche war die Überraschung groß: Die „schönste Stadt Deutschlands“ liegt in Moabit. Es ist die Emdener Straße. Was wo wie? Moabit ein dreckiges Pflaster, gleich dem Wedding reihen sich hier Hundehaufen aneinander, Sperrmüll wird rücksichtslos auf die Straßen geschmissen und die grauen Fassaden verschönern zumeist nur ein paar Graffitis.
Der Kiez hat sich gegen diese Zuschreibungen gewehrt, hat Farbeimer zusammengeklaubt und gestrichen, hat Holz gekauft und Baumscheiben umzäunt. Wenn man ganz ehrlich mit sich selbst ist, dann heitern auch die unbedingt bunt gestrichenen Stromkästen das Straßenbild nicht auf. Manche der Holzbegrenzungen sind bereits zertreten. Doch darum geht es auch nicht. Einer biederen „Schönheit“ einer kurfürstendammer Prachtstraße oder einer konservierten Altstadt könnte Moabit per definitionem nicht das Wasser reichen – hier gibt es keine Nobelläden und auch keine Fachwerkhäuser.
Stattdessen ist die Auszeichnung auch eine, die ihren Namen verdient hat. „Die schönste Straße Deutschlands“, das ist hiermit eine Auszeichnung an das bürgerschaftliche Engagement, sie zeichnet den Willen der Bewohner aus. Deren Aktionen wiegen nämlich weit mehr als das in sich gekehrte Nachbarschaftsunleben so manches Nobelgebietes, in dem man den Namen seines Nachbarn schon gar nicht mehr kennt. Hier wurden Fleiß und Mühe bezahlt – auch wenn dies nur im ganz Kleinen gelungen ist. Auch wenn es vielleicht noch zehn Jahre dauert, bis die Emdener Straße so richtig „cool“ ist.
Welche Straße könnte unter solchen Gesichtspunkten noch schöner sein?