Dass Emilia Schüle wahnsinnig gut aussieht und sehr talentiert ist, wussten wir schon vor unserem Treffen im Waldorf Astoria, aber dass sie noch dazu ein total offener, lockerer und reflektierter Mensch ist, macht es uns fast unmöglich, hier nicht Girl-Crush-mäßig ins Schwärmen zu geraten. Mit unserer Begeisterung stehen wir nicht allein, Emilia Schüle ist spätestens seit dem Tatort: Wegwerfmädchen (2012) eine der gefragtesten Schauspielerinnen des Landes. Ihr aktueller Kinofilm Traumfabrik wurde ihr sogar auf den Leib geschrieben. „Das ist total surreal und ich habe erst vor kurzem begriffen, dass es wirklich wahr ist“, erklärt sie uns und wirkt dabei so, als könne sie es doch noch nicht fassen. In diesem Film stecken viele ihrer eigenen Ideen – „nicht alle, sonst wäre der Film vier Stunden lang geworden“, meint Emilia und lacht – und so ist Traumfabrik in vielerlei Hinsicht für sie ein persönliches Projekt, das ihre Lust geweckt hat, öfter hinter der Kamera mitzuarbeiten. „Egal, was nach der Premiere mit dem Film passiert, wir können stolz auf uns sein“, schrieb sie deshalb in den Gruppenchat der Produktion. Das stimmt ja auch: Der Film ist groß und feiert das Kino, wie es in Deutschland selten der Fall ist.
Babelsberger Geschichte
Traumfabrik ist eine Hommage auf die DEFA-Studios, die als kreative Enklave mit eigenen Werkstätten und Versorgungssystem der Diktatur und der Grenzschließung trotzten. Der Film beginnt im Sommer 1961 – Tage vor dem Mauerbau. Weil er nicht weiß, was er nach seiner Zeit bei der Nationalen Volksarmee machen soll, kommt Emil (Dennis Mojen) nach Babelsberg, wo sein Bruder ihn als Kleindarsteller unterbringen kann. Schon an seinem ersten Tag zeigt sich, dass Emil in der Filmwelt nichts verloren hat. Doch weil er sich auf den ersten Blick in Milou (Emilia Schüle) verliebt, die als Tanzdouble für einen französischen Star arbeitet, bleibt er. Als die frisch errichtete Mauer dann das junge Liebesglück zerstört, bevor es aufblühen kann, will Emil das nicht hinnehmen: In den Wirren dieser Zeit ergattert er ein eigenes Büro und gibt sich als Produktionsleiter aus, um mit einem Großprojekt den französischen Star in die DDR zu locken und so Milou wiedersehen zu können. Ein irrwitziger Plan mit romantischem Großpotential.
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„Ich dachte nicht, dass ich so romantisch bin, weil ich eigentlich nie Liebesfilme gucke, aber ich bin es total“, stellt Emilia nach dem Dreh fest. Große Gesten, Rosenblätter auf Betten oder Valentinstage hält die 26-Jährige für unnötig, aber in Sachen Beleuchtung ist sie ein bekennender Freak: „Gemütliches Licht und schöne Musik sind mir schon wichtig.“ Noch relevanter sind für sie romantische Atmosphären, die sie als Fotografin versucht festzuhalten. „Vielleicht bin ich eine opportunistische Romantikerin“, prägt Emilia gelassen einen neuen Begriff. „Wirklich von Bedeutung sind ja eigentlich die kleinen Dinge im Alltag. Wenn man zum Beispiel einfach zuhört und dem anderen Raum gibt, auch wenn man selbst gerade im allergrößten Stress ist.“ So sind es auch nicht fette Komplimente, die ihr in Erinnerung bleiben: „Meine Mutter ist in letzter Zeit sehr lieb zu mir“, das preiszugeben, macht sie etwas verlegen. „Sie überhäuft mich mit Lob, weil sie merkt, dass ich mein Leben wider aller Erwartungen doch im Griff habe“, Emilia lacht.
Entspannte Berlinerin
In Berlin lebt Emilia, die im russischen Blagoweschtschensk geboren wurde, seit sie denken kann. Nachdem sie bei ihren Eltern ausgezogen ist, hat sie sowohl im Osten der Stadt als auch im Westen gelebt. Schöneberg mag sie, weil es so entspannt ist und eines ihrer Lieblingslokale, die Osteria Ribaltone, hier zu finden ist, aber auch Charlottenburg, Kreuzberg und Prenzlauer Berg haben Vorzüge: „Berlin zeichnet sich durch die Vielfalt der unterschiedlichen Bezirke aus“, erklärt sie ganz diplomatisch auf die Frage, ob ihr nicht ein Stadtteil besonders am Herzen liege.
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Emilia, die immer sehr ausgeglichen wirkt, verliert die Contenance höchstens beim Autofahren – „aber da hört es ja keiner.“ Ansonsten schätzt sie sich selbst als harmoniebedürftig ein und nimmt sich eher zurück, als mit ihrer Meinung über jemanden herauszuplatzen. Gar nicht einfach in der Hauptstadt, in der Geschnauze zum guten Ton gehört. Gelassenheit wurde Emilia übrigens nicht in die Wiege gelegt: „Die könnte meine Mutter mal von mir lernen“, Emilia kichert. „Ansonsten habe ich viel von meinen Eltern mit auf den Weg bekommen, sie waren mir gute Vorbilder. Als russische Auswanderer haben sie mit zwei Kindern und ein paar Koffern in Deutschland neu angefangen. Sie waren enorm fleißig, haben schnell die Sprache gelernt und versucht, wieder zu arbeiten und sich zu integrieren.“ Den Fleiß hat Emilia auf jeden Fall übernommen. Sie dreht am laufenden Band: die Kudamm-Reihe oder Charité für das Fernsehen, Jugend ohne Gott, Simpel und High Society fürs Kino. Und sie gibt nie auf, auch wenn es mal nicht so glatt läuft. „Natürlich hatte ich auch schon Momente, in denen ich Angst hatte und alles ins Negative gezogen habe, aber grundsätzlich will ich die Dinge positiv angehen“, das zeugt von Willenskraft. So hält sie es auch mit den Träumen: „Ich träume sehr gern, aber ich bemühe mich, meine Träume möglichst schnell zu realisieren.“
Über die Liebe
Die erste große Liebe von Emilia war – ähnlich wie in Traumfabrik – ein Komparse. „Eine Schauspielerin, die sich in einen Komparsen verliebt – das geht ja gaaar nicht!“, spielt sie die arrogante Diva, die sie weder damals mit vierzehn war, als sie mit Filmen wie Guten Morgen, Herr Grothe und Freche Mädchen erstmals von sich reden machte, noch heute ist. „Es war eine dramatische Liebe, unerfüllt und nervenaufreibend. Als Teenie ist man ja im Zwei-Stunden-Takt himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt,“ erklärt sie und lacht. Obwohl sie zwischen Schule und Dreharbeiten kaum Zeit hatte, blieb ihr die Pubertät also auch nicht erspart – inklusive Fantum mit Postern von Britney Spears und Justin Timberlake an der Wand. Heute begeistern sie eher Menschen wie die Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die uns allen den Spiegel vorhält, oder Talal Derki, den Regisseur von Of Fathers and Sons, den sie gern mal mit Fragen löchern würde. Derki hat sich in Syrien das Vertrauen einer radikalen Familie erschlichen und so diese unfassbare Doku darüber drehen können, wie bereits Kinder die Symbiose von Gewalt und Religion erlernen.
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Als politisch interessierter Mensch ist Luxus für Emilia Schüle, dass sie in einer Demokratie lebt und als Frau machen kann, was sie will. Gern ginge sie mehr auf wichtige Demos, aber ihr Terminkalender ist randvoll – egal ob sie gerade dreht, auf Promo-Tour ist oder zu Fashion-Shows eingeladen ist. Auf ihrem Insta-Kanal finden sich entsprechend nicht nur schöne Bilder von schönen Menschen, sondern Herzensprojekte, Begegnungen mit kraftvollen Persönlichkeiten in der ganzen Welt und Aufrufe zu Demos oder zur Europawahl. Den Stress, jeden Tag einen Post abzuliefern, macht sie sich nicht mehr, seit sie sich vor einem halben Jahr selbst eine Detox-Kur verschrieben hatte. „Es war an der Zeit mit den Gewohnheiten zu brechen und mir bewusst zu machen, dass ich wieder mehr im Moment leben will.“ Dazu gehört auch, sich nicht mit Was-wäre-gewesen-Fragen aufzuhalten, sondern darauf zu vertrauen, dass alles einen guten Grund hat. Sogar wenn sie mal wieder an einem Türsteher scheitert… „Die sind in Berlin echt der Wahnsinn, das ist auch ein Grund, warum ich nicht oft ins Berghain gehe: Du wartest ewig in der Schlange und dann wirst du abgewiesen, das ist mir zu blöd.“ Ihr Promi-Status hilft ihr da auch nicht weiter. „Die Filme, die ich drehe, gucken die wohl nicht“, schätzt sie und lacht. Wir schon!
Den Film Traumfabrik kannst du dir ab 4. Juli im Kino anschauen.