Nichts als uneingeschränkte Hingabe an die Traumfabrik Kino erlauben die neuen Sessel im umgebauten Zoo Palast. Der Schultergürtel ruht gerade auf der Rückenlehne, die sanft nach hinten nachgibt, die Beine sind locker hüftbreit ausgestreckt, der Nacken wird vom hohen Polster getragen, der Körper ist mit seiner ganzen Front der Leinwand zugewandt, bereit für Momente der Rührung, Suspense und entgegenschnellende 3-D-Effekte.
Wenn man einen der Logenplätze gebucht hat, geht zudem mit einem eleganten Aufschwung ein kleines Fußbänkchen nach oben. So ähnlich fühlen sich auch Massagesessel in Einkaufszentren an. Fast gut, das hier im Kino aber wenigsten diese Funktion nicht zur Verfügung steht – wenn auch noch der Rücken durchgewalkt würde, bestünde die Gefahr, vor Wohligkeit während des Films einzuschlummern.
Noch wackelt ein Testbild
Noch wackelt ein Testbild über die Leinwand im so genannten Atelier-Kino. Bunte Kreise und Raster sind zu sehen, das Bild wird eingemessen. Der Saal ist hell erleuchtet, die Handwerker brauchen Arbeitslicht und so fällt der Blick auf alle Details im Raum. Schlichte, schmale Leisten aus Ahornholz laufen die mit cremefarben glänzendem Samt bespannten Wände entlang. „Das sind alte Originalhölzer“, sagt Hans-Joachim Flebbe. Das Ensemble wurde denkmalgerecht saniert.
Die Architektin Anna Maske vom Architektenbüro MASKE + SUHREN, die auch schon für die Sanierung der Astor Film Lounge verantwortlich war, spricht deshalb lieber nicht von Um- sondern von Rückbau des Filmtheaters. 1957, das Jahr der Eröffnung, wurde zum Bezugspunkt der Architekten. So wie damals sollte der Zoo Palast wieder in seinen wichtigsten Gestaltungsmerkmalen aussehen. Dabei mussten die Architekten teilweise wie Archäologen vorgehen. „Wenn man in den vergangenen zehn Jahren in den Zoo Palast kam, der von außen recht imposant war, fand man sich in einem cineastischen Sammelsurium wieder. Alles war irgendwie noch da, aber das Raumkonzept war nicht mehr klar, weil vieles, ja zu viel hinzugefügt wurde.“
Vier Jahre Recherche
Vier Jahre lang hat sie mit ihrem Team recherchiert. „Und eigentlich tun wir es immer noch“, fügt Anna Maske hinzu, „Das, was wir finden, bestätigt uns, ergänzt die Vorinformationen und macht sie immer dichter und detaillierter.“ Weil Fotos nur einen zweidimensionalen Eindruck bieten, verließen sich die Bauplaner auch auf den Befund labortechnischer Untersuchungen. Restauratoren wurden beauftragt, die Materialien und die einzelnen über die Jahre immer wieder übermalten Farbschnitte der Originalbauteile zu untersuchen. So hat etwa die elliptische Bar die überlieferten siegellackroten Wände zurückerhalten, die Aufgänge ihre dynamischen Streifen aus dezentem Beige.
Die Architekten mussten nicht nur auf Zeitreise gehen: Sie standen vor der Herausforderung, das größtenteils denkmalgeschützte, historische Ensemble mit Sälen, Gängen und Foyer wieder rauszuputzen und etwa den laxen Brandschutz von früher auszubügeln – aber auch komplett Neues hinzuzufügen. Denn fünf in den 70er und 80er Jahren hinzugekommene Säle wurden abgerissen und durch drei Neubauten mit Platz für 160 bis 180 Zuschauer ersetzt, zwei kleinere bereits vorhandene Schachtelkinos wurden umgestaltet.
Zitate an die Nierentisch-Ära
Warum hatte man sich hier nicht für zeitgenössische Architektur entschieden? „Wir haben das lange diskutiert“, sagt Anna Maske. „Wir hatten das Gefühl, dass wir das Haus so besser verständlich machen konnten. Letztendlich war es der Respekt vor der Architektur des Zoo Palastes und vor der Kinozeit der 50er Jahre, der uns bewogen hat, eine moderne, aber gediegene Architektur zu entwerfen, die das Vorgefundene nicht kontrastieren sollte.“
Dafür sind die LED-Leuchten und ein ausgeklügeltes Beleuchtungssystem in allen Kinosälen aus dem Hier und Jetzt. Die Lichttechniker hüllen die Reihen zur Probe in glamouröses Rot, das langsam in ein kühles Blau übergeht und dann in ein unheimliches Grün. Jedes Mal ändert sich die Stimmung im Raum. Alles ist eingetaucht in satte Farben.
Hinter der Nostalgie steckt High-Tech
Schon Architekt Gerhard Fritsche hatte seinen Zoo Palast im wahrsten Sinne des Wortes als Lichtspielhaus konzipiert, unter anderem mit großen beleuchteten Vouten an den Decken. Doch es sprachen aus Sicht der Architektin nicht nur historische Gründe dafür: „Licht kann ein Denkmal gleichzeitig erhalten und wandeln“, sagt Anna Maske. „Wir können das Haus und die Säle in ihrer originalen ebenso wie in einer inszenierten, dem Zeitgeschmack angepassten Prägung wahrnehmen. Somit kann das Denkmal an sich bleiben, während das Licht sich wandeln und immer wieder neue Nuancen und Sichtweisen hervorbringen kann.“
Der kleinste Saal hat 50 Plätze
Schließlich soll alles gut klingen im Zoo Palast, der nach den Vorstellungen von Hans-Joachim Flebbe vom gehobenen Unterhaltungsfilm bis zur Matinee für Cineasten alles bieten soll: Den 3-D-Film mit Surround-Klang aber auch Filmschätze wie „Ben Hur“ oder „Dr. Schiwago“, bei denen der Ton klassischerweise von vorne kommt.
„Das muss ich Ihnen noch zeigen“, sagt Flebbe und geht ein paar Stufen hinunter. Er führt in einen der beiden kleinsten Sälen des Zoo Palastes mit 50 Plätzen. Der neue Betreiber nennt sie „Bibliotheken“: Bücher stehen in den Regalen aus dunklem Holz an den Seiten. Wer will, kann sich eins rausnehmen und im Tausch gegen ein anderes mit nach Hause nehmen. Ob sich die Kino-Gäste auf diese Spielerei einlassen werden, wird sich zeigen.
Die dunkle Holzvertäfelung und die weinroten Samtsessel verströmen jedenfalls die Atmosphäre eines englischen Herrenzimmers. „Das hat auch etwas mit den 50er Jahren zu tun“, findet Anna Maske. „Da ging man gern ins Kino und machte es zum großen Wohnzimmer, weil es das zuhause einfach noch nicht wieder gab.“ Heute sollen so Zuschauer wieder ins Filmtheater gelockt werden, die normalerweise lieber auf dem heimischen, gemütlichen Sofa lümmeln und sich eine DVD anschauen.