Am Charlottenburger Salzufer muss die Berliner Mercedes-Benz-Niederlassung damit rechnen, dass es nebenan künftig mehr Verkehr anderer Art geben könnte: Das Verwaltungsgericht hat der Vermieterin des Hauses Englische Straße 29 das Recht zuerkannt, an der Stelle des Wohngebäudes das größte Bordell der Stadt mit 93 Zimmern zu bauen.
Als bisheriger Spitzenreiter gilt „Artemis“ am S-Bahnhof Westkreuz mit mehr als 70 Zimmern. Ob es wirklich zum Bau des neuen Bordells in der Nachbarschaft der „Mercedes-Welt“ und des „Smart-Centers“ des Daimler-Benz-Konzerns kommt, steht allerdings noch nicht fest.
„Smart“ baute zu nahe am Wohnhaus
Denn der Streit reicht lange zurück und hatte an sich nichts mit Sex zu tun. Die Probleme begannen 2004 mit dem Bau des 13-stöckigen Verkaufscenters der Automarke Smart am Salzufer, Ecke Englische Straße. Hinzu kamen ein Empfangsbau und eine Werkstatt mit je sieben Etagen. Seitdem ist das 126 Jahre alte Wohnhaus auf drei Seiten eng umbaut.
Die Bauarbeiten hatten auch zu Rissen in Wänden geführt. Mieter beklagen außerdem, aus Veranstaltungssälen bei Smart blickten oft Gäste in ihre Wohnungen, bei Feiern schalle Lärm manchmal bis nachts herüber.
Ein Grundstückstausch wurde abgelehnt
Breidenbach ärgert sich bis heute, wie sie und ihre Mieter bei der Neubauplanung in der sogenannten Spreestadt Charlottenburg ausgebootet worden seien. Bauherr war die Immobiliensparte des Autokonzerns. Breidenbach betont, sie habe damals einen Grundstückstausch vorgeschlagen: Smart hätte die Englische Straße 29 nutzen können, ersatzweise hätte Daimler-Benz Platz für ein neues Wohnhaus in seinem Gewerbegebiet schaffen müssen.
Vertretern des Autokonzerns und Managern des späteren Grundstückseigentümers TLG Immobilien „habe ich meine Gesprächsbereitschaft wie Sauerbier angeboten“, sagt Breidenbach. Für die Planer sei sie aber wohl nur eine „blöde Kuh, von der man sich nichts vorschreiben lassen will“ gewesen. Anders als der jetzige Bezirksbaustadtrat Marc Schulte (SPD) habe dessen Vorgänger Klaus-Dieter Gröhler (CDU) auch nur das Interesse des Investors verfolgt.
Im Gewerbegebiet sind Bordelle, Hotels und Studentenwohnungen erlaubt
An der Englischen Straße 29 gibt es knapp 30 Wohnungen und unten schon ein kleines Bordell. Vor drei Jahren lotete Breidenbach die baurechtlichen Möglichkeiten aus: Der Bezirk bestätigte per Bauvorbescheid, dass im Gewerbegebiet ein Großbordell zulässig sei.
„Ich habe aber auch einiges andere abgefragt“, sagt Breidenbach. Ebenso erlaubt seien etwa „ein Aparthotel oder ein Studentenwohnheim“. Sie sei „keine Puffmutter“, es hätten sich jedoch Kaufinteressenten aus dem Milieu gemeldet. Vermutlich liege dies daran, dass Ämter verstärkt gegen Wohnungsbordelle vorgehen.
Jetzt hat die Vermieterin eine „Trumpfkarte“
Das Unternehmen war eine Tochterfirma der Treuhandanstalt, heute gehört es der US-Investmentgesellschaft Lone Star. Die Klage wurde vor allem mit zuviel Autoverkehr durch neue Nutzungen begründet – für den Vermieter eines Automobilzentrums ein eher überraschendes Argument.
Kerstin Breidenbach lässt offen, ob und wann sie ihr Haus an Bordellbetreiber veräußert. Erst einmal freut sie sich, endlich eine „Trumpfkarte“ zu haben und will „in Ruhe abwarten“, ob TLG und Mercedes-Benz ihr Kompromissvorschläge machen.