Manfred Brünner ist genervt. Es ist gerade halb eins an einem Dienstag im Bürgeramt des Rathauses Mitte. Der Automat, der normalerweise die Wartenummern ausspuckt, proklamiert, dass die Ausgabe der kleinen Zettel abgebrochen worden sei. „Dabei brauche ich dringend einen Express-Reisepass für eine geschäftliche Amerikareise“, klagt Brünner. Mit dieser Misere ist er zurzeit in Berlin nicht allein.
„Als wir das Bürgeramt um viertel vor elf geöffnet haben, war die Eingangshalle schon voll mit Menschen. Um zwölf mussten wir die Wartenummern-Ausgabe aufgrund des Andrangs einstellen“, erklärt ein Mitarbeiter. „Derjenige, der die letzte Wartenummer um zwölf gezogen hat, wird wohl um 18.30 Uhr drankommen.“
13 Wochen warten in Spandau
Um der Situation Herr zu werden, gehen die ersten Bezirke dazu über, nur vereinbarte Termine anzunehmen. Bis vor kurzem war die Terminvergabe über das Netz oder per Telefon nur ein zusätzliches Angebot. Je nach Lage des Amtes kann die Zeit bis zum nächsten freien Termin stark variieren. Ein Tester des Tagesspiegels fand heraus, dass man am längsten im Rathaus Spandau auf einen Termin warten muss (sieben Wochen beim Test, inzwischen 13 Wochen), wobei man in Heiligensee am schnellsten einen Termin bekommt (vier Tage beim Test, inzwischen sind es acht Tage). In Tempelhof kann man mit dem neuen System im Bürgeramt Briesingstraße bereits seit Neujahr Erfahrungen sammeln. Hier ist der Termin Gesetz, außer es gibt einen Notfall. Diese Vorgehensweise, stellte der zuständige Stadtrat, Oliver Schworck von der SPD, fest, sei für alle Akteure befriedigend. Rund eine Woche habe ein Kunde auf seinen Termin warten müssen.
Die Probezeit habe überzeugt und so übernehmen ab 1. August auch das verbleibende Tempelhofer Bürgeramt und dessen Pendant in Schöneberg das Terminsystem. So spielt Tempelhof-Schöneberg eine Pionierrolle in der deutschen Hauptstadt. Eine so strikte Übernahme des Terminprinzips für Mitte will der zuständige Stadtrat Stephan von Dassel (Grüne) nicht durchführen. Zumindest am Montag kann man eine Wartenummer ziehen und es aussitzen. Von Dienstag bis Samstag braucht man aber ab dem 1. August immer einen Termin im Rathaus Tiergarten, Mitte und Wedding. In Tiergarten gilt die Regelung an Samstagen schon jetzt.
Zeitweise Schließungen in Lichtenberg
Der Sommer in Lichtenberger Ämtern ist durch Personalmangel geprägt. Deshalb muss immer eine Filiale geschlossen bleiben. Das Bürgeramt beim Center am Tierpark in Friedrichsfelde ist noch bis zum 27. Juli geschlossen. Die Filiale in der Groß-Leege-Straße im Ortsteil Alt-Hohenschönhausen bleibt vom 30. Juli bis 31. August zu. „Davon verspreche ich mir, dass der Service wieder erhöht und der gewohnte Standard wieder erreicht werden kann“, erhofft sich Andreas Prüfer, Stadtrat und Mitglied der Linken. Die Umstellung auf Terminbetrieb will der Bezirk noch nicht in Angriff nehmen, aber Prüfer befürwortet das Prinzip.
Stadtrat Stephan Richter sah die „teilweise dramatisch veränderte Situation“ in Marzahn-Hellersdorf und wurde aktiv. Statt der stark frequentierten Samstagssprechstunde im Biesdorf-Center, die ab August entfällt, werden die Sprechstunden in allen Ämtern des Bezirks täglich um eine Stunde nach hinten versetzt, damit Kunden noch bis 19 Uhr die Möglichkeit haben, ein Bürgeramt aufzusuchen.
Kundenansturm in Charlottenburg
Am schlechtesten wird man noch immer in Spandau bedient, da nur noch das Amt im Rathaus für den Arbeitsbetrieb geöffnet ist. In Kladow bleibt das Amt endgültig geschlossen. In der Wasserstadt Oberhavel läuft der Betrieb nur auf Sparflamme. Notfälle mit Termin und abzugebende Dokumente werden bearbeitet, aber der restliche Service ist wegen mangelnder Kapazitäten eingestellt. Stephan Machulik, Stadtrat mit SPD-Zugehörigkeit, sieht auch für diese Filiale keine lange Zukunft.
Die ausgedehnten Schließungen in Spandau wirken sich besonders negativ auf den Behördenbetrieb in Charlottenburg aus. Spandauer nutzen die gute Anbindung der U7 zu Charlottenburger Ämtern. „Dadurch müssen unsere Mitarbeiter viel mehr Anfragen bearbeiten“, erklärt Klaus-Dieter Gröhler, der stellvertretende Bezirksbürgermeister. „Die Situation ist nicht mehr akzeptabel. Wartezeiten von vier Stunden sind nicht vertretbar.“ Das große Kundenaufkommen erklärt Gröhler so: „Das liegt zum einen an der Ferienzeit, zum anderen aber auch an den neuen Ausweisregeln für Kinder.“ Doch das grundlegende Problem sei, dass nicht genügend Personal vorhanden sei. „Wir brauchen mehr Mitarbeiter, anders ist der Ansturm nicht zu bewältigen.“