Als Peter Griebel im vergangenen Jahr erfuhr, dass er in diesem Sommer 2300 jüdische Sportler der Makkabiade bekochen solle, war noch guter Dinge. Hatte er es nicht schon geschafft, mehr als 5000 Gäste zu bewirten? Und hatte er nicht schon bei der Leichtathletik-WM 2009 die Spitzensportler mit jeder Menge Kohlenhydrate bekocht? Hatte er. Aber eben nicht koscher.
Nur wiederkäuende Paarhufer
„Der Küchenchef bin nicht länger ich“, sagt Griebel und zeigt auf Golzmann, der die Lieferungen begutachtet, Herdplatten einschaltet – auch das dürfen nach jüdischem Brauch nur Juden – und den Köchen über die Schultern schaut: Fleisch im Fischtopf kochen? Ist noch ok. Schweineschnitzel? Auf gar keinen Fall, nur wiederkäuende Paarhufer dürfen bei den Juden auf den Teller. Also Kalbsgeschnetzeltes in Rahmsoße? „Denk nicht dran!“, warnt Griebel.
Seit Montag existieren in seinem Küchenimperium zwei Parallelwelten, die miteinander am besten nie in Berührung kommen: die milchige und die fleischige. „Du sollst ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen“, steht in der Tora geschrieben, der heiligen Schrift der Juden. „Das heißt, dass Leben – die Muttermilch – und Tod – das Fleisch – immer getrennt werden müssen“, erklärt Maschgiach Golzmann.
20.000 neue Teller und Tassen gekauft
Wieso und weshalb dieser Aufwand? „Wenn du anfängst darüber nachzudenken, hast du ein Problem. Das ist halt einfach so!“, sagt Griebel lachend und zwinkert seinem wachsamen Inspektor zu. Der hat sehr wohl eine Erklärung parat: „Wir haben diese Gesetze, damit wir nicht vergessen, wer wir sind: Juden. Wir wollen die Kontrolle über uns nicht dem Magen geben, nicht dem Trieb nachgeben.“
Rechte und linke Hand des Rabbis
Aber Golzmann hat Verständnis für den emsig bemühten Küchenchef Griebel. „Jedes Kind lernt bei uns vom neunten Lebensjahr an, wie jüdische Küche funktioniert, sodass es jeder weiß, wenn er volljährig ist“, erzählt Golzmann. Er hat jüdisch kochen schon im Restaurant seiner Eltern gelernt. Seit zwölf Jahren macht er den Job als „rechte und linke Hand des Rabbis“.
Ganz stressfrei ist die kulinarische Umstellung trotz aller Neckereien und der Vorfreude auf die Spiele nicht. „Tatsächlich ist das für uns eine ganz neue Erfahrung und auch eine enorme Belastung“, berichtet Griebel. „Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum hier alle so apathisch schauen …“ Dies wird den Köchen des Estrel schon noch vergehen. Spätestens am kommenden Freitag: Denn anlässlich des jüdischen Feiertags Sabbat wollen Griebel und sein Team einen Weltrekord aufstellen: das größte Kiddusch-Mahl, das rituelle Essen am Sabbat-Vorabend, das die Welt je außerhalb Israels gesehen hat.